Leitsatz

Der Organträger hat auch nach Aufhebung der gegenüber einer vermeintlichen Organgesellschaft ergangenen Umsatzsteuerbescheide keinen unmittelbaren Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer, welche die Organgesellschaft zugunsten ihres eigenen Umsatzsteuerkontos gezahlt hat.

 

Normenkette

§ 37 AO , § 73 AO , § 218 Abs. 2 AO , § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG , Abs. 2 Nr. 2 UStG

 

Sachverhalt

Eine Gesellschaft hatte Umsatzsteuer angemeldet und Vorauszahlungen geleistet. Später gab sie jedoch eine Umsatzsteuererklärung ab, welche Umsätze und Vorsteuern von 0 DM ausweist. Sie war nämlich zu der Erkenntnis gekommen, dass sie als Organgesellschaft nicht Umsatzsteuerschuldnerin sein könne. Dementsprechend hatte auch das FA den Antrag, sie zur Umsatzsteuer zu veranlagen, unter Hinweis auf die Erfassung der Umsätze und Vorsteuern bei dem Organträger abgelehnt. Die geleisteten Vorauszahlungen hat das FA auf das Konto der Muttergesellschaft umgebucht und hierüber einen Abrechnungsbescheid erlassen.

 

Entscheidung

Der BFH hebt hervor, die Gesellschaft selbst, nicht ihre Mutter sei erstattungsberechtigt. Denn sie habe auf ihre Rechnung und ihre (vermeintliche) Umsatzsteuerschuld Zahlungen erbracht, die sie folglich vom FA zurückfordern könne. Ein Haftungsbescheid, mittels dessen das FA die sog. Organhaftung verwirkliche (und folglich den Erstattungsanspruch gegen seinen Haftungsanspruch aufrechnen könne), sei nicht ergangen.

Ob die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Gesellschaft treuwidrig sei, müsse das FG ggf. aufklären (ferner, ob möglicherweise ein Verrechnungsvertrag mit der Organgesellschaft geschlossen worden sei). Wegen der Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft reiche dafür nicht aus, dass die Muttergesellschaft die nämliche Umsatzsteuer schulde, welche die Tochter zurückverlange.

 

Hinweis

1. Abrechnungsbescheide entscheiden nur über Streitigkeiten, welche die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen; sie entscheiden also darüber, ob und inwieweit der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis noch zu verwirklichen ist oder ob er bereits erfüllt ist (z.B. durch Zahlung oder Aufrechnung). Da steuerliche Ansprüche fast ausnahmslos durch Steuerbescheid festgesetzt werden müssen (beachten Sie aber § 240 AO), bringen Abrechnungsbescheide nur zum Ausdruck, was sich aus den anderweit ergangenen Steuerbescheiden i.V.m. den tatsächlichen Zahlungsvorgängen, Aufrechnungserklärungen und dgl. ergibt.

2. Erstattungsberechtigt (Erstattungsgläubiger) ist, auf wessen Rechnung eine Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist, also derjenige, dessen – möglicherweise nur vermeintliche – Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Bestand die Steuerschuld, auf die Leistungen erbracht worden sind, also tatsächlich nicht, kann das Geleistete zurückverlangt werden; ob ein anderer die nämlichen Steuern schuldete und wie die internen Rechtsbeziehungen zwischen dem Leistenden und diesem wirklichen Steuerschuldner gestaltet sind, ist ohne jeden Belang.

3. Eine Verrechnung gegen eine Organgesellschaft festgesetzter und von dieser gezahlter Umsatzsteuer auf die Umsatzsteuerschuld des Organträgers (Muttergesellschaft) kommt aus dem unter 1) genannten Grund nicht in Betracht, wenn die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber der Organgesellschaft nicht aufgehoben worden sind (vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1996, VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537). Auch nach Änderung der Steuerfestsetzung ist aber grundsätzlich aus dem unter 2) genannten Grund kein Anspruch der Muttergesellschaft gegeben, dass die betreffenden Steuerzahlungen zugunsten ihres Umsatzsteuerkontos umgebucht werden. Die Vorschriften des materiellen Steuerrechts (nämlich der umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze der Organschaft) schlagen also nicht gleichsam auf das Erhebungsverfahren durch.

4. Der V. (Umsatzsteuer-)Senat des BFH hat allerdings in einigen Entscheidungen Ausführungen gemacht, die auf eine andere Sicht der Dinge hindeuten könnten; so hat er es als selbstverständlich bezeichnet, dass die bereits von der Organgesellschaft gezahlte Umsatzsteuer auf die Mehrsteuer der Muttergesellschaft angerechnet werden muss. Auch der VII. (AO-)Senat des BFH hält einen Verstoß gegen Treu und Glauben für denkbar, wenn eine Organgesellschaft einen Erstattungsanspruch geltend macht, statt die Umbuchung ihrer Zahlungen auf das Konto ihrer Mutter hinzunehmen. Er hebt aber hervor, dass eine Organgesellschaft nach § 73 AO für die Steuerschuld ihrer Mutter haftet und das FA nach (rechtzeitiger) Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft den Haftungsanspruch deren Steuererstattungsanspruch entgegenhalten und aufrechnen könnte. Das schließe den Vorwurf der Treuwidrigkeit bei Verweisung des FA auf seinen Haftungsanspruch grundsätzlich aus.

Beachten Sie also, dass der VII. Senat besondere Umstände des Einzelfalls verlangt, wenn das vorbezeichnete Ver...

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