FinMin Sachsen, 02.12.1996, 35 - S 7104 - 9/18 - 72247

Nach dem o. a. EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996 kann die Unternehmereigenschaft grundsätzlich nicht rückwirkend mit der Begründung aberkannt werden, daß es nicht zur Ausführung entgeltlicher Leistungen gekommen ist. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der anderen Länder gilt zur umsatzsteuerlichen Behandlung solcher umsatzloser Unternehmer folgendes:

(1) Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die Tätigkeit muß auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein (vgl. Abschnitt 18 Abs. 3 Satz 1 UStR). Dies setzt grundsätzlich voraus, daß tatsächlich Lieferungen oder sonstige Leistungen im Rahmen eines Leistungsaustausches bewirkt werden. Eine bloße Absichtserklärung, entgeltliche Leistung ausführen zu wollen, reicht nicht aus, die Unternehmereigenschaft zu begründen.

(2) Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen ernsthaft beabsichtigt ist und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird. In diesem Fall entfällt die Unternehmereigenschaft – außer in den Fällen von Betrug oder Mißbrauch – nicht rückwirkend, wenn es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt. Vorsteuerbeträge, die den beabsichtigten Umsätzen, bei denen der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen wäre, zuzurechnen sind, können dann nicht zurückgefordert werden (EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996). Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 6. Mai 1993 – BStBl 1993 II S. 564) ist nicht mehr anzuwenden.

(3) Als Nachweis für die Ernsthaftigkeit sind Vorbereitungshandlungen anzusehen, wenn die Gegenstände oder sonstigen Leistungen ihrer Art nach nur zur unternehmerischen Verwendung oder Nutzung bestimmt sind oder in einem objektiven und zweifelsfrei erkennbaren Zusammenhang mit der beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit stehen (unternehmensbezogene Vorbereitungshandlungen). Solche Vorbereitungshandlungen können insbesondere sein:

  • der Erwerb umfangreichen Inventars, z. B. Maschinen oder Fuhrpark,
  • der Wareneinkauf vor Betriebseröffnung,
  • die Anmietung oder die Errichtung von Büro- oder Lagerräumen,
  • der Erwerb eines Grundstücks,
  • die Anforderung einer Rentabilitätsstudie,
  • die Beauftragung eines Architekten,
  • die Durchführung einer größeren Anzeigenaktion.

Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall.

(4) Bei Vorbereitungshandlungen, die ihrer Art nach sowohl zur unternehmerischen als auch zur nichtunternehmerischen Verwendung bestimmt sein können (z. B. Erwerb eines Computers oder Kraftfahrzeugs), kann regelmäßig deren Ernsthaftigkeit oder ihre Unternehmensbezogenheit und damit die Unternehmereigenschaft nicht abschließend beurteilt werden. Der Vorsteuerabzug ist daher im Rahmen einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung § 164 AO) stehenden oder vorläufigen § 165 Abs. 1 Satz 1 AO) Steuerfestsetzung zu gewähren.

(5) Sind Vorbereitungshandlungen ihrer Art nach typischerweise zur nichtunternehmerischen (privaten oder hoheitlichen) Verwendung oder Nutzung bestimmt (z.B. der Erwerb eines Wohnmobils, Segelschiffes oder sonstigen Freizeitgegenstandes) und kann deren Unternehmensbezogenheit nicht nachgewiesen werden, ist nicht davon auszugehen, daß die unternehmerische Tätigkeit ernsthaft beabsichtigt ist. In diesen Fällen ist die Unternehmereigenschaft davon abhängig, daß es später tatsächlich zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt. In der Vorbereitungsphase ist nicht von der Unternehmereigenschaft auszugehen. Die Steuerfestsetzung ist in diesem Fall auszusetzen § 165 Abs. 1 Satz 4 AO).

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend bei der Aufnahme einer neuen Tätigkeit im Rahmen eines bereits bestehenden Unternehmens, wenn die Vorbereitungshandlungen nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit stehen. Demgegenüber sind erfolglose Vorbereitungshandlungen für eine neue Tätigkeit der unternehmerischen Sphäre zuzurechnen, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit der bisherigen Tätigkeit stehen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1993 – BStBl 1994 II S. 278).

Abschnitt 18 Abs. 4 und Abschnitt 19 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 UStR sind nicht mehr anzuwenden.

Dieses Schreiben entspricht dem BMF-Schreiben vom 02.12.1996, Az.: IV C 3 – S 7104 – 95/96, das im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und in die USt-Kartei aufgenommen wird.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1 Satz 1

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