OFD Hannover, Verfügung v. 19.3.1998, S 7100 - 431 - StO 352/S 7100 - 321 - StH 533
1. Die Anreise zur Arbeitsstätte ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers. Wird der Arbeitnehmer von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber unentgeltlich befördert, dient dieses dem privaten Bedarf des Arbeitnehmers und damit unternehmensfremden Zwecken. Darin liegen umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Arbeitgebers i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 b UStG.
Der EuGH hat mit Urteil vom 16.10.1997 (Rs C-258/95), – diese Grundsätze bestätigt (Rn. 26 und 27), jedoch auch ausgeführt, unter besonderen Umständen könnten die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, daß der Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer von deren Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstellt. Als Gründe hierfür werden der Mangel an anderen geeigneten Verkehrsmitteln und wechselnde Arbeitsstätten genannt (Rn. 29). Im Urteilsfall erfolgte die Beförderung der Arbeitnehmer ab einer bestimmten Entfernung zur Arbeitsstätte (Baustellen), die häufig nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar waren, wobei die Arbeitnehmer wechselnde Arbeitsstätten hatten. Aufgrund dieser besonderen Umstände erfolgte die unentgeltliche Arbeitnehmer-Sammelbeförderung nicht zu unternehmensfremden Zwecken und war in diesem Fall nicht steuerbar.
Entsprechende Feststellungen finden sich auch im BFH-Urteil vom 9.7.1998, V R 105/92 (BStBl 1998 II S. 635). Danach können besondere Umstände, die eine Beförderung aus betrieblichen Gründen erforderlich machen, ständig wechselnde Arbeitsstellen sein, wenn
- diese aufgrund der jeweiligen Entfernung außerhalb eines „weiträumigen Arbeitsgebiets” liegen (vgl.H 37 LStH) oder
- fehlende andere Beförderungsmöglichkeiten es gebieten oder den Arbeitgeber zwingen, die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen.
Aus diesem Urteil kann aber nicht geschlossen werden, daß die Arbeitnehmer-Sammelbeförderung zwingend immer dann nicht steuerbar ist, wenn ertragsteuerrechtlich wechselnde Einsatzstellen vorliegen. Für Zwecke der Umsatzsteuer ist nach eigenen Kriterien zu prüfen, ob die Beförderung der Arbeitnehmer aufgrund der großen Entfernungen oder mangels anderer Beförderungsmöglichkeiten zu unternehmerischen Zwecken erbracht wurde und damit nicht steuerbar ist.
Der BFH hat in einem weiteren, nicht amtlich veröffentlichten Urteil vom 12.2.1998 (V R 69/93 BFH/NV 1998 S. 1131) die Arbeitnehmer-Sammelbeförderung als überwiegend im betrieblichen Interesse erfolgt angesehen, weil die wechselnden Arbeitsstellen eindeutig mindestens 50 km vom Sitz der Kl. entfernt waren. Aus dieser Entscheidung kann keine allgemeine Entfernungssgrenze abgeleitet werden.
Die Regelung der OFD Koblenz hierzu (Verfügung vom 25.9.1998, S 7100 A St 51 2), die Arbeitnehmerbeförderungen insoweit nicht zu besteuern, als die Einsatzstellen mindestens 50 km vom Firmensitz entfernt sind, ist nicht anzuwenden Diese Rechtsauffassung entspricht nicht dem derzeitigen Stand der Erörterung auf Bund-/Länder-Ebene zur Ermittlung von Auslegungskriterien für das o.g. EuGH-Urteil .
2. Weitere Auslegungskriterien zur Anwendung des o.g. EuGH-Urteils ergeben sich wie folgt:
Die Beförderungsverpflichtung des Arbeitgebers aufgrund eines Tarifvertrags führt nicht schon zur Nichtsteuerbarkeit der Beförderungsleistung; sie kann aber ein Anhaltspunkt dafür sein, daß die Beförderung nicht unternehmensfremden Zwecken dient (EuGH vom 16.10.1997 a.a.O; Rn 31; BFH vom 9.7.1998, a.a.O., Nr. 1. c der Entscheidungsgründe; BFH vom 12.3.1998, V R 127/92 – Tenor – in BFH/NV 1998 S. 1270). Nach der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 26.11.1998, V 53/94 (NZB eingelegt) wurde das Vorliegen besonderer Umstände für die Leistungen eines Bauunternehmers, der durchschnittlich 50 bis 70 Arbeitnehmer beschäftigte, von denen er durchschnittlich 22 unentgeltlich mit betriebseigenen Fahrzeugen zu den verschiedenen Baustellen im Umkreis von 100 km beförderte, verneint, da die Mehrheit der Arbeitnehmer die Fahrt zur Arbeitsstätte selbst ausgeführt hatte und keine über das allgemeine Interesse eines Arbeitgebers, den ordnungsgemäßen und pünktlichen Arbeitsablauf zu gewährleisten, hinausgehenden Gründe für die Durchführung der Arbeitnehmer-Sammelbeförderungen ersichtlich waren. Die Leistungen des Bauunternehmers waren somit umsatzsteuerbar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 b UStG. Im übrigen bleibt – auch zur Erteilung verbindlicher Auskünfte – eine Neufassung desAbschn. 12 Abs. 15 UStR abzuwarten.
3. Die o.g. Entscheidungen des EuGH und des BFH (und) lassen sich im Ergebnis nur auf besonders gelagerte Einzelfälle anwenden.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1