Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit von Mehrauslagen durch Beauftragung eines auswärtigen Verteidigers. Gebührenhöhe bei Fortsetzungsterminen in einem schwierigen Steuerstrafverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Generell können die Mehrkosten, welche durch die Beauftragung eines auswärtigen Verteidigers entstehen nach § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur erstattet werden, wenn die Zuziehung eines nicht am Prozessort wohnenden Verteidigers notwendig war. Dies kann beispielsweise wegen dessen besonderer Fachkenntnisse auf einem Spezialgebiet der Fall sein. Hingegen sind das besondere Vertrauen des Angeklagten zu dem Verteidiger und dessen besonders guter Ruf in der Regel ohne Bedeutung, wobei bei besonders schwerwiegenden Tatvorwürfen eine Ausnahme vorliegen kann.

2. Wurden dem Freigesprochenen in einer 42-seitige Anklageschrift der für Wirtschaftsdelikte zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft insgesamt 53 rechtlich selbstständige Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung mit einer Gesamtschadenssumme der hinterzogenen Eingangsabgaben in Höhe von annähernd 7,5 Millionen DM gemacht und sollen neben Verstößen gegen Vorschriften der Abgabenordnung auch solche gegen Vorschriften des Zollgesetzes und Verordnungen der EWG begangen worden sein, durfte der Freigesprochene einen auf dem Gebiet des Steuerrechts besonders fachkundigen Verteidiger mit seiner Interessenvertretung zu beauftragen.

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Beschluss vom 17.07.2000)

 

Gründe

Der ehemalige Angeklagte A. G. ist während des gesamten Strafverfahrens von Rechtsanwalt K. als Wahlverteidiger vertreten worden, die entsprechende Vollmacht datiert allerdings erst vom 04.10.1999, wobei Rechtsanwalt K. nach Aktenlage den ehemaligen Angeklagten aber bereits vor Erhebung der Anklage (Anklage der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 06.10.1998 ging am 19.10.1998 beim Landgericht Mühlhausen ein) vertreten hat.

Der ehemals Angeklagte A. G. wurde in der Hauptverhandlung vor der 6. großen Strafkammer - 1. Wirtschaftsstrafkammer- des Landgerichts Mühlhausen auch von seinem Verteidiger vertreten. Die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Angeklagten A. G. hat am 24.11.1999 begonnen und nach fünf Fortsetzungsterminen am 03.01.2000 geendet.

Die Hauptverhandlung dauerte nach Abzug einer einstündigen Mittagspause am 24.11.1999 insgesamt 5 Stunden und 20 Minuten, am 01.12.1999 insgesamt 4 Stunden und 25 Minuten, am 08.12.1999 insgesamt ca. 4 Stunden, wobei berücksichtigt wurde, daß auf 9.00 Uhr terminiert war, die Hauptverhandlung aber erst um 10.30 Uhr anfing, am 14.12.1999 insgesamt 8 Stunden, am 22.12.1999 ca. 1 Stunde und 20 Minuten und am 03.01.2000 insgesamt 5 Stunden und 45 Minuten, wobei auch hier berücksichtigt wurde, daß die Hauptverhandlung auf 9.00 Uhr terminiert war, aber erst um 11.40 Uhr anfing.

Das Verfahren wurde am 03.01.2000 mit einem rechtskräftigen Freispruch des ehemaligen Angeklagten A. G. beendet. In dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 03.01.2000 sind der Staatskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten A. G. auferlegt worden.

Mit Schriftsatz vom 17.02.2000 beantragte der Verteidiger namens und in Vollmacht des ehemals Angeklagten A. G. die Festsetzung der notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten i.H. von insgesamt 11.697,84 DM incl. Reisekosten des Verteidigers zu 6 Hauptverhandlungsterminen, Tage- und Abwesenheitsgeld für 6 Verhandlungstage, Übernachtungskosten für den Verteidiger gemäß beigefügter Quittungen, Post- und Telekommunikationskosten, Kosten für Fotokopien und 16 % Umsatzsteuer.

Insoweit wird auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 17.02.2000 verwiesen.

Nach Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Mühlhausen hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Mühlhausen durch den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluß vom 12.07.2000 die an den Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten/notwendigen Auslagen auf insgesamt 6.659,84 DM festgesetzt. Dabei wurden insbesondere die Mehrkosten durch die Wahl eines Verteidigers in Osnabrück (Reisekosten, Tage und Abwesenheitsgeld, Übernachtungskosten vgl. § 28 BRAGO) nicht erstattet, mit der Begründung, die Wahl eines Verteidigers aus Osnabrück sei nicht notwendig gewesen. Weiterhin wurden hinsichtlich der Vorverfahrensgebühr, der Gebühr für den ersten Hauptverhandlungstermin am 24.11.1999 und des Fortsetzungstermines am 14.12.1999 jeweils antragsgemäß Höchstgebühren unter Beachtung der 10 %igen Ermäßigung nach dem Einigungsvertrag veranschlagt. Für die übrigen Fortsetzungstermine wurde eine Erhöhung der Mittelgebühr um die Hälfte des Differenzbetrages zwischen Mittel- und Höchstgebühr vorgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kostenfestsetzungsbeschluß vom 12.07.2000 verwiesen.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß wurde dem Verteidiger am 19.07.2000 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 21.07.2000, eingegangen beim Landgericht Mühlhausen am 24.07.2000, hat der Verteidiger, an den der Erstattungsbeitrag vom ehemals Angeklagten abg...

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