Rz. 31

Der Begriff der Transparenz ist ein tragender Grundsatz des Vergaberechts. Neben der Verpflichtung, die Ausschreibung öffentlich bekannt zu geben und die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens (Vorbereitung, Durchführung und Wertung, Erwägungen bei der Ermessensausübung sowie die abschließende Entscheidung) zu dokumentieren, begründet das Transparenzgebot auch die Pflicht der Vergabestelle, sich an alle Bedingungen, die sie selbst zuvor in den Verdingungsunterlagen aufgestellt hat, zu halten. Dies beinhaltet die Verpflichtung, von dort getroffenen (grundsätzlichen) Entscheidungen nicht an anderer Stelle in den Verdingungsunterlagen – jedenfalls nicht ohne ausdrücklichen Hinweis und dokumentierte Begründung – abzuweichen.

Geschäftsgrundlage des mit den Zuschlagsempfängern zu schließenden Rahmenvertrags bildet auf Seiten der Krankenkassen die Erzielung eines günstigen Preises (Hilfsmittel) bzw. die Gewährung von Rabatten auf die ärztlich verordneten Arzneimittel des jeweiligen Wirkstoffes (Arzneimittelrabattvertrag); für den Auftragnehmer ist es bei den Arzneimittelrabattverträgen entscheidend, dass ihm die gesetzlichen Regelungen des § 129 Abs. 1 Satz 3 zugute kommen, die im Zusammenhang mit der ihm eingeräumten (exklusiven) Stellung als Vertragspartner der Krankenkassen eine Umsatzsteigerung bewirken. Der Bedeutung der (erwarteten) Umsatzsteigerung auf Seiten des Auftragnehmers ist es geschuldet, dass die Krankenkassen in den Verdingungsunterlagen u. a. Preisvergleichsgruppen bilden, die Umsätze in einem zu bezeichnenden Referenzzeitraum darlegen und die sog. Umsetzungsquote im Referenzzeitraum mitteilen. All diese Daten dienen dem Zweck, es dem Auftragnehmer zu ermöglichen, die zu gewährenden Rabatte und die mögliche Umsatzsteigerung (annähernd) zu kalkulieren. Maßgebliche Bedeutung für die Umsetzungsquote (und damit für die mögliche Umsatzsteigerung) gewinnt die Frage, in welchem Umfang bei der Versorgung der Versicherten der jeweiligen Krankenkasse mit Arzneimitteln in der Apotheke eine Ersetzung des verordneten Medikaments nach Maßgabe des § 129 Abs. 1 Satz 3 zu erfolgen hat und damit auch erfolgen wird. Das Transparenzgebot verpflichtet die Krankenkassen dabei, bei der Ausgestaltung der Ausschreibung die die Substitution von Medikamenten regelnden Vorschriften zu beachten oder jedenfalls deutlich darauf hinzuweisen, inwiefern und aus welchen Gründen sie davon abweichen. Dabei ist es vergaberechtswidrig, wenn die Preisvergleichsgruppen nicht ausgehend von den jeweiligen Darreichungsformen der betreffenden Arzneimittel gebildet werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.1.2010, L 21 KR 68/09 SFB). So ist es unzulässig, wenn der Auftraggeber die Preisvergleichsgruppen nicht durchgehend an den verschiedenen Darreichungsformen der jeweiligen Arzneimittel ausrichtet – etwa die Darreichungsformen "Emulsion" und "Lösung" – und einer gemeinsamen Preisvergleichsgruppe "flüssig" zuordnet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen hinreichend deutlich und begründet darauf hinweisen, dass die Bildung der Preisvergleichsgruppen teilweise abweichend von den Darreichungsformen der "Lauer-Taxe" vorgenommen wird.

Ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit nach § 97 Abs. 2 GWB und/oder gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung ist nicht gegeben, wenn bei einer Arzneimittelrabattausschreibung gefordert wird, zu allen zu einem bestimmten Stichtag in der Lauer-Taxe geführten Pharmazentralnummern (PZN) Gebote abzugeben. Auf die Lauer-Taxe kann abgestellt werden, da vergaberechtlich bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen dann ausdrücklich vorgeschrieben werden dürfen, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Obwohl Gegenstand einer Arzneimittelausschreibung nicht primär die Beschaffung der generischen Arzneimittel selbst, sondern die Einräumung von Rabatten ist, handelt es sich um einen Liefervertrag, der allerdings durch die gesetzliche Regelung des § 130a Abs. 8 modifiziert wird. Durch diese Modifizierung ist es gerechtfertigt, bei der Ausschreibung von Rabattverträgen genau auf diesen "Pool" von Arzneimittel abzustellen, aus dem die zulasten der Krankenkassen verordneten Generika stammen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.4.2009, L 21 KR 27/09 SFB). Die Krankenkassen legen vielmehr mit der Bezugnahme auf die Lauer-Taxe ihren Beschaffungsbedarf nachvollziehbar und transparent fest. Eine Diskriminierung scheidet aus, da die Krankenkassen auf den Datenbestand der Lauer-Taxe keinen Einfluss nehmen können und der Zugang allen pharmazeutischen Unternehmen mit ihren Produkten offen steht.

Das Abstellen auf einen in der Vergangenheit liegenden Stichtag verstößt nicht gegen die Vorschriften des Vergaberechts. Denn die gesetzliche Formulierung in § 130a Abs. 8 Satz 1 ("Zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel") sowie der Ausschreibungsgegenstand ("Rabatt") rechtfertigen es, i...

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