Rz. 24

Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 3c UStG ist das Überschreiten einer Lieferschwelle durch den Lieferanten; d. h. der Gesamtwert der Lieferungen des Lieferanten in einen anderen Mitgliedstaat muss einen bestimmten Betrag – die Lieferschwelle – überschreiten (§ 3c Abs. 3 UStG). Wird die maßgebliche Lieferschwelle des Bestimmungslands nicht überschritten und verzichtet der Lieferant auch nicht auf die Anwendung der Lieferschwelle (Rz. 32ff.), so ist die Lieferung gem. § 3 Abs. 6 UStG im Ursprungsland zu besteuern.

 

Rz. 25

Die Lieferschwelle ist geschaffen worden, um Unternehmer mit geringem Versandanteil nicht zusätzlich zu belasten. Für Lieferungen, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten enden, beträgt diese Lieferschwelle in Anlehnung an Art. 34 Abs. 1 MwStSystRL – netto ohne USt – 100.000 EUR (bis 31.12.2001: 200.000 DM; vgl. § 3c Abs. 3 Nr. 1 UStG). Bei Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet ist die jeweilige Lieferschwelle des anderen Mitgliedstaates maßgebend (§ 3c Abs. 3 Nr. 2 UStG). Auch hier werden von einem inländischen Lieferer wiederum Kenntnisse ausländischer Regelungen verlangt, womit ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko verbunden ist.[1]

 

Rz. 26

Ebenso wie die Erwerbsschwelle (Rz. 23) knüpft auch die Lieferschwelle an die Verhältnisse des vorangegangenen und des laufenden Kalenderjahres an. Nach der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung von § 3c Abs. 3 S. 1 UStG kam es darauf an, ob die Lieferschwelle im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kj. überschritten wurde. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 3c Abs. 3 S. 1 UStG a. F. reichte es aus, dass die Lieferschwelle in einem der beiden Betrachtungszeiträume überschritten wurde.[2] Das Abstellen auf die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Kalenderjahres (Prognose) hatte den Vorteil, dass der Unternehmer sich bereits zu Beginn des laufenden Jahres Klarheit über die Behandlung seiner Umsätze verschaffen konnte.

 

Rz. 27

Die Regelung entsprach jedoch nicht den Vorgaben in Art. 28b Teil B Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 34 MwStSystRL), die eine Ortsverlagerung an das Ende der Beförderung bzw. Versendung vorsehen, sobald im laufenden Kj. die Lieferschwelle überschritten wird. Dadurch konnte es zu Doppelbesteuerungen bzw. Nichtbesteuerungen im Verhältnis zu solchen Staaten kommen, die die EG-rechtlichen Vorgaben in nationales Recht umgesetzt hatten. Um dies zu vermeiden, wurde § 3c Abs. 3 S. 1 UStG durch Gesetz v. 22.12.1999[3] mWv 1.1.2000 dergestalt neu gefasst, dass nunmehr die Ortsverlagerung beim Überschreiten der Lieferschwelle im laufenden Kj. eintritt.[4] Das Besteuerungsrecht verlagerte sich dadurch für alle Umsätze in den Bestimmungsmitgliedstaat, die nach dem Zeitpunkt des Überschreitens der Lieferschwelle bewirkt wurden, d. h. es erfolgt keine Berichtigung für Umsätze bis zum Überschreiten der Lieferschwelle. Der Umsatz, mit dem die Lieferschwelle überschritten wurde, unterlag noch im Ursprungsland der Besteuerung.[5] Für den leistenden Unternehmer hatte dies die unangenehme Konsequenz, dass er – für jedes Mitgliedsland getrennt – genau prüfen musste, wann er die maßgebliche Lieferschwelle überschreitet.[6]

 

Rz. 28

Nach Art. 22 der Verordnung v. 17.10.2005[7], welche mWv 1.7.2006 unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten ist, ist der Versandhandelsumsatz, mit dem die Lieferschwelle überschritten wird, bereits im Bestimmungsmitgliedstaat (und nicht mehr im Ursprungsmitgliedstaat) zu besteuern.[8] Die Regelung bedeutet zwar eine Klarstellung, entbindet den Lieferer jedoch nicht von der Prüfung, wann die jeweils maßgebliche Lieferschwelle überschritten wird. Art. 14 der VO (EU) Nr. 282/2011 enthält nunmehr eine inhaltsgleiche Regelung.

 

Rz. 29

Bei Lieferungen im Konzernkreis muss nach hiesiger Ansicht der Organträger und jede Organgesellschaft zur Bemessung der Lieferschwelle als Lieferant angesehen werden.[9]

 

Rz. 30

Maßgeblich für die Lieferschwelle ist nach § 3c Abs. 3 S. 1 UStG der Gesamtbetrag der Entgelte, der den Lieferungen in einen Mitgliedstaat zuzurechnen ist. Wird im selben Besteuerungszeitraum bei Lieferungen in einem weiteren Mitgliedstaat die Lieferschwelle überschritten, richtet sich der Ort der Versendungs- oder Beförderungslieferungen (nur) in diesem Mitgliedstaat nach § 3c UStG.[10]

 

Rz. 31

Gesamtbetrag der Entgelte i. S. v. § 3c Abs. 3 S. 1 UStG ist die Summe der Entgelte für die maßgeblichen Lieferungen ohne USt (§ 10 Abs. 1 S. 2 UStG), wobei für die Frage, ob die vereinbarten oder die vereinnahmten Entgelte maßgebend sind, auf die jeweiligen Verhältnisse beim liefernden Unternehmer im Bestimmungsland abzustellen ist.[11]

[1] Rz. 23 a. E.; vgl. die Übersicht über die Erwerbs- und Lieferschwellen aller EU-Staaten unter Rz. 41.
[2] Rädler, IStR 1992, 2/4; Carl, INF 1992, 337, 340; a. A. Widmann, UR 1992, 249, 259.
[3] Art. 9 Nr. 2 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 v. 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601.
[5] BT-Drs. 14/1655.
[6]...

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