3.2.2.1 Allgemeines

 

Rz. 43

In § 90 Abs. 2 AO wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung[1] v. 29.7.2009, BGBl I 2009, 2302 ein neuer S. 3 eingefügt. Die Regelung wurde erheblich verschärft, indem zu den erweiterten Mitwirkungspflichten noch besondere Erklärungs- und Versicherungspflichten hinzutreten, wenn objektiv erkennbare Anhaltspunkte bestehen, dass der Stpfl. über Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in bestimmten unkooperativen Staaten und Gebieten ("Steueroasen") verfügt. In solchen Fällen kann der Stpfl. von der Finanzbehörde aufgefordert werden, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern und die Finanzbehörde zur Geltendmachung möglicher Auskunftsansprüche gegenüber Kreditinstituten zu bevollmächtigen. Der Referentenentwurf des Gesetzes stellte wesentlich geringere Anforderungen auf und sah noch drakonischere Rechtsfolgen vor. Bis zur Verabschiedung des Kabinettentwurfs wurden aufgrund der Intervention von Sachverständigen, Verbänden und anderer Bundesministerien aber noch abmildernde Änderungen vorgenommen.

 

Rz. 44

Zielsetzung der Regelung (sowie des gesamten Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes) ist es, Staaten und Gebiete, die durch unzureichenden Auskunftsaustausch mit den deutschen Finanzbehörden die Hinterziehung von Steuern sehenden Auges begünstigen, zu einem effektiven Informationsaustausch nach OECD-Standard zu zwingen. Art. 26 des OECD-Musterabkommens sieht vor, dass zwischen den Staaten ein umfassender Austausch derjenigen Informationen stattfindet, die zur Durchführung des DBA voraussichtlich erheblich sind. Der Maßstab für eine hinreichende Kooperation besteht damit in einer sog. großen Auskunftsklausel.[2] Die vom BMF im Zusammenwirken mit anderen Staaten verfolgte Strategie, den internationalen Druck auf diese Steueroasen spürbar zu erhöhen, hat sich letztendlich als überaus erfolgreich erwiesen. Deutschland hat in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Rechts- und Amtshilfeabkommen abgeschlossen, in denen sich die bislang einem effektiven Informationsaustausch verweigernden Vertragspartner zur Erteilung der gewünschten Auskünfte verpflichten.

 

Rz. 45

Die Festlegung des Zeitpunkts der erstmaligen Anwendung dieser Verschärfung war nach Art. 97 § 22 Abs. 2 EGAO einer Rechtsverordnung vorbehalten. Hiervon hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durch die Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) v. 18.9.2009, BGBl I 2009, 3046 Gebrauch gemacht. Nach § 5 SteuerHBekV ist § 90 Abs. 2 S. 3 AO erstmals für Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 beginnen.

[1] Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz.

3.2.2.2 Objektiv erkennbare Anhaltspunkte

 

Rz. 46

Für die Annahme, dass der Stpfl. Geschäftsbeziehungen zu einem Finanzinstitut in einem unkooperativen Staat oder Gebiet unterhält, müssen objektiv erkennbare Anhaltspunkte vorliegen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht allein auf den Eindruck der zuständigen Finanzbehörde an. Erforderlich ist vielmehr, dass solche Umstände für einen sachverständigen Dritten vorliegen.[1] Die objektiv erkennbaren Anhaltspunkte müssen nur auf die Unterhaltung der besonderen Geschäftsbeziehungen hindeuten, nicht hingegen auf den Verdacht für eine Steuerstraftat.[2]

[1] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 90 AO Rz. 57.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 90 AO Rz. 186; v. Wedelstädt, DB 2009, 1731; Trossen, AO-StB 2009, 174.

3.2.2.3 Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten

 

Rz. 47

§ 90 Abs. 2 S. 3 AO stellt einleitend ausschließlich auf Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten ab. Die erweiterten Mitwirkungspflichten zielen demnach schwerpunktmäßig darauf ab, Erkenntnisse über im Ausland erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen[1] zu gewinnen. Unter den Begriff "Finanzinstitut" fallen nach dem Sinn und Zweck der Regelung sowohl Kreditinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG als auch Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1a KWG.[2] Eine Bevollmächtigung zur Geltendmachung von Auskunftsansprüchen kann aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts jedoch nur im Hinblick auf ein "Kreditinstitut" verlangt werden.[3]

[2] A. A. Worgulla/Söffing, FR 2009, 545; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 90 AO Rz. 60.
[3] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Rz. 28.

3.2.2.4 Nicht kooperierende Staaten und Gebiete

 

Rz. 48

Schließlich muss das Finanzinstitut in einem nicht kooperierenden Staat oder Gebiet tätig sein. Staaten und Gebiete gelten nach § 90 Abs. 2 Nr. 3 AO als unkooperativ, wenn

  • mit ihnen kein Abkommen besteht, das die Erteilung von Auskünften entsprechend Art. 26 des OECD-Musterabkommens i. d. F. von 2005 vorsieht,
  • sie keine Auskünfte in einem vergleichbaren Umfang erteilen und
  • bei ihnen keine Bereitschaft zu einer entsprechenden Auskunftserteilung besteht. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn die Staaten und Gebiete nach förmlicher Aufforderung nicht bereit sind, Rechtsgrundlagen für einen entsprechenden Auskunftsaustausch mit Deutschland zu schaffen.
 

Rz. 49

Mit BMF v. 5.1.2010, IV B 2 – S 1315/08/10001-09, BStBl I 2010, 19 wird festgestellt, dass zum 1.1.2010 kein Staat oder Gebiet die Voraussetzungen...

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