1.1 Zweck und Inhalt

 

Rz. 1

§ 62 AO schränkt den Grundsatz der Selbstlosigkeit[1] ein. Der Gesetzgeber verpflichtet gemeinnützige Körperschaften grundsätzlich zur zeitnahen Mittelverwendung[2], um zu verhindern, dass steuerbegünstigt erworbene Mittel grundlos angesammelt oder zum Aufbau eines sonstigen Vermögens eingesetzt werden.[3] Gleichwohl besteht ein Bedürfnis für gemeinnützige Körperschaften, Rücklagen bzw. Vermögen bilden zu dürfen, beispielsweise um Mittel für langfristige Projekte ansparen oder finanzielle Reserven für künftige Zeiträume zu bilden. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem er in § 62 AO verschiedene Arten von Rücklagen zulässt:

  • Zweckgebunde Rücklagen[4];
  • Wiederbeschaffungsrücklagen[5];
  • Freie Rücklagen[6];
  • Rücklagen zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zum Erhalt der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften.[7]

§ 62 Abs. 3 AO erlaubt darüber hinaus Maßnahmen zur Vermögensbildung, indem bestimmte Mittelzuflüsse bei der gemeinnützigen Körperschaft von vornherein von der Verpflichtung zur zeitnahen Verwendung ausgenommen werden. Stiftungen haben zusätzlich das Recht, bestimmte Mittel im Jahr ihrer Errichtung und den drei Folgejahren ihrem Vermögen zuzuführen.[8] Die Rücklagenbildung ist auch nach der Neufassung des § 62 AO nicht abschließend geregelt.[9] Zulässig ist über die Rücklagenbildung in Abs. 1 hinaus die Bildung von Betriebsmittelrücklagen, von Rücklagen im Bereich der Vermögensverwaltung und im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sowie von Rücklagen aus Gewinnen der Vermögensumschichtung.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 2

§ 62 a. F. AO regelte Ausnahmen von der satzungsmäßigen Vermögensbindung für Betriebe gewerblicher Art, von Körperschaften des öffentlichen Rechts und bestimmte weitere Körperschaften. Die Vorschrift ist mit Wirkung zum Jahresbeginn 2009 aufgehoben worden.[1] Mit Wirkung vom 1.1.2014 hat der Gesetzgeber Regelungen zur Bildung von Rücklagen und zur Vermögensbildung in dem freigewordenen § 62 AO zusammengefasst.[2] In die Vorschrift sind Bestimmungen eingeflossen, die zuvor – größtenteils wortgleich – in § 58 Nr. 6, 7, 11 AO und in § 12 AO geregelt waren. § 62 AO enthält darüber hinaus eine Reihe von Neuerungen. So ist nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO die Bildung einer Rücklage für die Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern zulässig. Die Frist zur Bildung von Rücklagen ist unter Bezugnahme auf die Bestimmungen zur zeitnahen Mittelverwendung[3] festgelegt worden[4]; der Gesetzgeber hat darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen, die in Vorjahren unterlassene Bildung von freien Rücklagen innerhalb von zwei Jahren nachzuholen.[5]

[1] Art. 10 JStG 2009 v. 19.12.2009, BGBl I 2008, 2794.
[2] Ehrenamtsstärkungsgesetz v. 21.3.2013, BGBl I 2013, 566.

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