Rz. 118

Der Begriff der Gesetzeskonkurrenz erfasst Konkurrenzverhältnisse, bei denen der Unrechtsgehalt einer Straftat X in einer anderen Straftat Y enthalten ist. Folglich besteht weder das Bedürfnis noch die Legitimation, neben der Tat Y auch noch die Tat X straferhöhend in den jeweiligen Schuldspruch einfließen zu lassen.

Es gibt drei Fälle der Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Tateinheit:

Erstens die sog. Spezialität, bei der eine Norm alle Merkmale einer anderen Norm enthält und zusätzlich mindestens ein weiteres, spezielleres Merkmal.[1] Gesetzeseinheit liegt dann vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands sein.[2] In diesem Fall wird die andere, weniger spezielle Norm (lex generalis) verdrängt und die Strafbarkeit ergibt sich allein aus der spezielleren Norm (lex specialis). Im Steuerstrafrecht ist dies an § 373 AO zu verdeutlichen, der den Tatbestand des § 372 AO und als weitere Merkmale bestimmte qualifizierende Umstände enthält, sodass lediglich § 373 AO anwendbar ist. Ebenso verdrängt § 373 AO auch den Grundtatbestand des § 370 AO.[3]

 

Rz. 119

Der zweite Fall der Gesetzeskonkurrenz ist die sog. Subsidiarität. Sie liegt vor, wenn eine Norm ausdrücklich oder stillschweigend nur unter der Voraussetzung anwendbar ist, dass nicht schon eine andere Norm eingreift.[4] Ausdrücklich subsidiär ist z. B. § 372 AO gegenüber bestimmten, allgemein umschriebenen Vorschriften.[5] Stillschweigende Subsidiarität besteht z. B. zwischen Versuch und Vollendung. Folglich wird ein Täter – obwohl in jeder vollendeten Tat auch der vorherige Versuch der Tat enthalten ist – nur wegen der vollendeten Tat belangt. Ebenso ist die leichtere gegenüber der schwereren Teilnahmeform subsidiär, sodass die Beihilfe gegenüber der Anstiftung zurücktritt (vgl. Rz. 95ff.).

 

Rz. 120

Konsumtion als dritte Art der Gesetzeskonkurrenz ist gegeben, wenn ein Delikt typischerweise vor, während oder nach einem anderen Delikt begangen wird und der Unrechtsgehalt der Begleittat typischerweise von der Haupttat mit erfasst ist.[6] Z. B. konsumiert § 202 Abs. 1 Nr. 1 StGB, die Verletzung des Briefgeheimnisses durch Öffnen eines verschlossenen Schriftstücks, die von § 303 StGB erfasste Sachbeschädigung an dem Verschluss des Schriftstücks. Der Unterschied zur Spezialität liegt darin, dass bei der Konsumtion nicht auf den abstrakten Inhalt der Normen, sondern auf das regelmäßige Zusammentreffen im Einzelfall abgestellt wird.

 

Rz. 121

Auch wenn zwischen mehreren Straftaten eine Tatmehrheit (vgl. Rz. 134ff.) besteht, kann es dazu kommen, dass einige der Taten nicht bestraft werden, weil ein unechtes Konkurrenzverhältnis besteht. Dies ist der Fall bei straflosen mitbestraften Vor- oder Nachtaten.[7] Diesen Rechtsfiguren liegen die Gedanken der Subsidiarität und der Konsumtion zugrunde.

Die mit der Haupttat bestrafte Nachtat ist eine an sich tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangene Straftat, die sich allerdings auf die Erhaltung oder Ausnutzung der durch die Haupttat erlangten Lage beschränkt, keinen wesentlichen neuen Schaden verursacht und kein neues Rechtsgut verletzt. Ihr kommt somit gegenüber der Vortat kein eigener Unrechtsgehalt zu, sodass sie straflos bleibt.

Würde hingegen ein neuer Schaden herbeigeführt oder sind die Geschädigten der beiden Straftaten nicht identisch, so ist die Strafbarkeit nicht ausgeschlossen. Ebenso bleibt die Nachtat nicht straflos, wenn die Haupttat aus irgendeinem Grund nicht bestraft werden kann.[8]

 

Rz. 122

Wie bei der mitbestraften Nachtat liegt auch bei der straflosen mitbestraften Vortat das Schwergewicht auf der Haupttat, sodass die Vortat gänzlich in den Hintergrund tritt. Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn diese das notwendige oder regelmäßige Mittel zur Begehung der Haupttat ist. Die sog. Durchgangsdelikte der strafbaren Vorbereitungshandlung oder des strafbaren Versuchs im Verhältnis zur späteren vollendeten Tat sowie der Anstiftung bei späterer Mittäterschaft sind die häufigsten Anwendungsfälle.

[1] Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, Vor § 52 StGB Rz. 40a.
[4] Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, Vor § 52 StGB Rz. 41f.
[6] Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, Vor § 52 StGB Rz. 43.
[7] Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, Vor § 52 StGB Rz. 64ff.
[8] Vgl. für eine verjährte Vortat: BGH v. 27.10.1992, 5 StR 517/92, HFR 1993, 676.

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