Leitsatz

Die Mehrkosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt sind als notwendige Rechtsverfolgungskosten (nur) erstattungsfähig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Konzertagentur und meldete Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 EStG an. In dem sich anschließenden langwierigen gerichtlichen Verfahren, das sich aufgrund einer beim FG getroffenen tatsächlichen Verständigung in der Hauptsache erledigte, wurde die Klägerin anwaltlich durch den auf dem Gebiet der "Künstlerabzugsbesteuerung" anerkannten Fachmann - Rechtsanwalt A -, der seinen Sitz weder am Ort des FG noch an dem mit dem Gerichtsort identischen Sitz der Klägerin unterhält ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), vertreten.

Bei der Festsetzung ihrer Kosten hat die Klägerin u. a. die Erstattung von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung eines Erörterungstermins am FG durch A beantragt. Die Kostenbeamtin beim FG hat die Reisekosten nicht als erstattungsfähig angesehen.

 

Entscheidung

Das FG hat der von der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegten Erinnerung abgeholfen und entschieden, dass die geltend gemachten Reisekosten erstattungsfähig sind.

Nach § 139 Abs. 1 FGO sind u. a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu erstatten. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die Reisekosten eines spezialisierten auswärtigen "Rechtsanwalts am dritten Ort" nur dann ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann.

Die Notwendigkeit richtet sich danach, ob der auswärtige Rechtsanwalt über besondere Fachkenntnisse in einer den konkreten Fall betreffenden rechtlichen Spezialmaterie und/oder über besondere zur Fallbearbeitung notwendige Kenntnisse auf tatsächlichem Gebiet verfügt.

Ein auswärtiger Rechtsanwalt verfügt dann über rechtliche Spezialkenntnisse, die ihn von ortsansässigen Rechtsanwälten abheben, wenn er sich in einem umgrenzten Fachgebiet, das regelmäßig enger als die Materie einer Fachanwaltschaft ist, Kenntnisse und Erfahrungen in einem Vertiefungsgrund angeeignet hat, der den eines durchschnittlichen Rechtsanwalts oder Fachanwalts erheblich übersteigt. Besondere Kenntnisse in tatsächlicher Hinsicht liegen vor, wenn der "Rechtsanwalt vor Ort" nahezu ausschließlich eine bestimmte Gruppe von Mandanten oder Mandanten aus einer bestimmten Branche vertritt und dadurch über vertiefte Kenntnisse der branchenüblichen Gepflogenheiten verfügt.

Diese Voraussetzungen lagen vorliegend nach Ansicht des FG vor.

 

Hinweis

Ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einem Beteiligten und seinem Prozessbevollmächtigten reicht nicht aus, um ortsansässige Rechtsanwälte als nicht vergleichbar erscheinen zu lassen. Die Frage der Vergleichbarkeit ist vielmehr aus Sicht eines verständigen, nicht notwendigerweise rechtskundigen Beteiligten zu beantworten.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Beschluss vom 15.06.2012, 3 KO 208/11

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