Leitsatz

1. Die Personalgestellung durch ein Krankenhaus an eine Arztpraxis kann ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener, nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993 steuerfreier Umsatz sein, z.B. wenn das Krankenhaus medizinische Großgeräte der Arztpraxis durch eigenes Personal nutzen darf und im Gegenzug sein Personal zur Bedienung der Geräte auch für die Nutzung durch die Arztpraxis gegen Kostenerstattung überlässt.

2. Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz kann danach ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn die Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten, sondern auch andere Patienten versorgt. Ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, kann nur unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 18.11.2004, V R 35/02, BFH-PR 2005, 219).

 

Normenkette

§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Verein, Träger eines Krankenhauses (§ 67 Abs. 1 AO), hatte zwar eine eigene, für ambulante und stationäre Behandlung genutzte Abteilung für Röntgendiagnostik, aber kein Geld für weitere Großgeräte. In den Räumen des Krankenhauses arbeitete eine private Gemeinschaftspraxis, die auch die Großgeräte des Krankenhauses mit Hilfspersonal gegen Entgelt nutzen konnte und Ressourcen für die Anschaffung ?weiterer Großgeräte hatte, für deren Betrieb wiederum Personal des Klägers gegen Entgelt eingesetzt war.

Das FA war der Auffassung, die Entgelte für Personalgestellung gehörten nicht zu den eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätzen. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Ob ein – wie vorstehend erläuterter – Ausnahmefall vorliegt, kann nur unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden; diese obliegt in erster Linie dem FG. Dessen Würdigung ist, wenn nicht Verfahrensrügen mit Erfolg geltend gemacht werden, für den BFH bindend. Auf die Frage, ob die dem Krankenhaus angegliederte Arztpraxis nur die Krankenhauspatienten des Klägers behandelt hat, kommt es nicht an. Eine verschränkende Nutzung von Personal- und Sachmitteln kann die Annahme einer "engen Verbindung" rechtfertigen.

 

Hinweis

1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993 beruht – nicht gerade deckungsgleich – auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL. Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten ... "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt werden beziehungsweise bewirkt werden".

Ausgeschlossen ist die Befreiung, wenn

  • sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;
  • sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der MwSt. unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

2. Was also ist ein eng verbundener Umsatz? Nicht selten werden Personal- und Geräteaus?lastungsprobleme vom Krankenhaus einerseits und angegliederter Arztpraxis dadurch gelöst, dass die unterschiedlichen Überkapazitäten durch entgeltliche Personal- oder Gerätegestellung abgefedert werden.

Steuerbefreiungsvorschriften sind grundsätzlich eng auszulegen. Der Begriff der mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL verlangt – so bereits der EuGH (Urteil vom 11.1.2001, Rs. C-76/99, Kommission/Frankreich) – jedoch keine besonders enge Auslegung; denn durch die Befreiung der eng mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsätze soll gewährleistet werden, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird. Dies muss auch für § 4 Nr. 16 UStG 1993 gelten.

"Eng verbundene Umsätze" liegen allgemein dann vor, wenn die erbrachten Leistungen als Nebenleistungen zu einer Krankenhausbehandlung anzusehen sind; dies ist dann der Fall, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können; mithin – ausgehend vom Zweck der Befreiung – Leistungen, die sich auf die Kosten der medizinischen Behandlungen auswirken. Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz kann in Ausnahmefällen sogar dann vorliegen, wenn eine – räumlich angegliederte – Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten, sondern auch andere ?Patienten versorgt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.1.2006, V R 46/04

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