Normenkette

InsO §§ 129, § 129 ff., §§ 130, 254, § 254 ff., § 259 Abs. 3, §§ 270, § 270 ff.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 16.12.2013; Aktenzeichen 10 O 1289/13)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.03.2016; Aktenzeichen IX ZR 157/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Dresden vom 16.12.2013 - 10 O 1289/13, unter Aufhebung des Kostenausspruchs in Ziff. 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die S. AG 71.998,11 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.4.2013 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 71.998,11 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Mit am 27.2.2013 beim AG Leipzig - Insolvenzgericht - eingegangenem Schreiben beantragte die S. AG (Schuldnerin), das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft zu eröffnen sowie u.a. die Eigenverwaltung anzuordnen, einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen und eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans zu bestimmen. Das Insolvenzgericht ordnete mit Beschluss vom 4.3.2013 die Vorlage eines Insolvenzplans binnen einer Frist von längsten drei Monaten ab Zustellung an, bestellte den Kläger zum vorläufigen Sachwalter und traf weitere Anordnungen. Die Schuldnerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 7.3.2013 und 19.3.2013 unter Übersendung des vorgenannten Beschlusses mit, dass sie sich "im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO befinde". Als vorläufiger Sachwalter zeigte der Kläger dem Insolvenzgericht mit Schreiben vom 13.3.2013 an, dass zwischenzeitlich Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin eingetreten sei. Nachfolgend eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 30.4.2013, berichtigt durch Beschluss vom 2.5.2013, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen festgestellter Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, ordnete die Eigenverwaltung an und bestellte den Kläger zum Sachwalter. Im Zuge der rechtskräftigen Bestätigung des von den Insolvenzgläubigern angenommenen Insolvenzplans vom 6.6.2013 wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 1.7.2013 aufgehoben. Der Kläger hat in erster Instanz gestützt auf eine im Insolvenzplan unter Buchst. J Ziff. V enthaltene Ermächtigung gegenüber der Beklagten Anfechtungsansprüche im Hinblick auf schuldnerische Zahlungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen am 22.3.2013 über 36.982,37 EUR und am 22.4.2013 über 35.015,74 EUR weiter verfolgt.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Dem behaupteten Anfechtungsanspruch nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO stehe jedenfalls der Bargeschäftseinwand nach § 142 InsO entgegen. Ein Ausschluss dieses Einwands infolge eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin nach § 133 InsO könne nicht angenommen werden, weil die Schuldnerin angesichts ihrer Antragstellung von einer Sanierung in Eigenverwaltung ausgegangen sei, so dass es an einer billigenden Inkaufnahme einer Gläubigerbenachteiligung fehle. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger rügt mit seiner Berufung die Verletzung materiellen Rechts. Der geltend gemachte Anfechtungsanspruch nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sei nicht gem. § 142 InsO ausgeschlossen, weil es sich bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht um ein Bargeschäft handele. Darüber hinaus lägen entgegen der vom LG vertretenen Auffassung auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO vor. Die Schuldnerin habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, da sie bei Vornahme der streitgegenständlichen Zahlungen ihre eigene - jedenfalls drohende - Zahlungsunfähigkeit gekannt habe. Die Antragstellung an das Insolvenzgericht dahingehend, die Sanierung in Eigenverwaltung anzuordnen, lasse den Vorsatz nicht entfallen. Zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten habe der Insolvenzplan noch nicht vorgelegen, so dass gerade kein tauglicher, in die Tat umgesetzter Sanierungsversuch gegeben gewesen sei. Im Übrigen seien die Zahlungen nicht als Bestandteil eines Sanierungsversuchs erfolgt, sondern um eine Strafbarkeit der Vorstände zu vermeiden. Die Beklagte habe gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bei Erhalt der Beiträge Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, da sie aufgrund der Schreiben vom 7.3.2013 und 19.3.2013 von der Stellung eines Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gewusst habe. Im Übrigen hätten die streitgegenständlichen Zahlungen auch zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO geführt. Dies erge...

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