Leitsatz

* Zahlt der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Entlassung eine Abfindung und im darauffolgenden Jahr deshalb eine Nachzahlung zur Abfindung, weil bei der ursprünglichen Festlegung der Abfindungshöhe versehentlich die Auswirkung des früheren Ausscheidens des Arbeitnehmers auf dessen Altersversorgung nicht berücksichtigt worden war, kann die Nachzahlung eine für die Tarifbegünstigung der Hauptentschädigung unschädliche Entschädigungszusatzleistung sein.

*Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG , § 34 EStG

 

Sachverhalt

Der 1931 geborene Kläger erzielte als leitender Angestellter zuletzt einen Bruttoarbeitslohn von ca. 240.000 DM. Nach 40 Dienstjahren wurde das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich zum 30.6.1993 beendet. Der Kläger erhielt eine Sozialabfindung i.H.v. 210.000 DM, von der ein Betrag von 36.000 DM steuerfrei blieb und der Restbetrag von 179.000 DM ermäßigt besteuert wurde.

Im Jahr 1994 bezog der Kläger eine Firmen- und eine Altersrente. In der Steuererklärung für dieses Jahr wies er erneut eine ermäßigt zu besteuernde Abfindung aus. Beigefügt war ein Schreiben des früheren Arbeitgebers, in dem dieser bestätigte, "dass die im Jahr 1994 zur Auszahlung gekommene Aufzahlung zur Abfindung in Höhe von 85.000 DM nach mehreren Verhandlungsgesprächen erfolgte, da bei der ursprünglichen Festlegung versehentlich die monetäre Auswirkung des früheren Ausscheidens auf die Altersversorgung nicht berücksichtigt worden war".

Das FA gewährte bei der Veranlagung für das Jahr 1994 auch auf diese Zahlung den ermäßigten Steuersatz. Allerdings änderte es nach § 173 Abs. 1 Satz 1 EStG den Steuerbescheid für 1993, indem es die Entschädigung i.H.v. 179.000 DM nunmehr mit dem regulären Steuersatz erfasste. Das FG gab der Klage gegen den geänderten Bescheid für 1993 statt (EFG 2003, 775).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Er verwies auf seine Rechtsprechung, nach der Entschädigungszusatzleistungen, die in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge erbracht würden, für die ermäßigte Besteuerung der Hauptentschädigung unschädlich seien. Hier sei die Nachzahlung ebenfalls als eine solche ergänzende Zusatzleistung zu beurteilen.

 

Hinweis

1. Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zu den sog. Entschädigungszusatzleistungen, die ein Arbeitgeber aus Gründen der sozialen Fürsorge im Zusammenhang mit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt (siehe dazu insbesondere die Grundsatzentscheidung vom 14.8.2001, XI R 22/00, BFH-PR 2002, 121), um eine neue Variante erweitert: die Nachzahlung, die einen Fehler bei der ursprünglichen Berechnung der Abfindungshöhe beseitigen soll.

Dass die Nachzahlung hier sozial motiviert war, ergibt sich bereits aus dem Grund, der den Arbeitgeber zur Zahlung eines zusätzlichen Abfindungsbetrags veranlasst hat. Der Kläger und sein Arbeitgeber hatten nämlich bei der Vereinbarung der Gesamtabfindung versehentlich nicht bedacht, dass wegen des Ausscheidens des Klägers vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze die zukünftige Firmen- und Altersrente naturgemäß niedriger ausfallen würde.

2. Man wird davon ausgehen können, dass der BFH sich bewusst war, welches "Umgehungspotenzial" diese Entscheidung in sich birgt. Deshalb dürfte die Unschädlichkeit einer Nachzahlung – ebenso wie die Jubiläumszuwendung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BFH, Urteil vom 14.5.2003, XI R 23/03, BFH-PR 2003, 439) – auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Erforderlich wird in jedem Fall sein, dass bei der Berechnung der Höhe der Gesamtabfindung ein Fehler unterlaufen ist, und dass dieser Fehler auch nachvollziehbar ist.

3. Zur zulässigen Höhe einer Entschädigungszusatzleistung hat der BFH bisher lediglich ausgeführt, dass die Höhe der Hauptleistung bei weitem nicht erreicht sein darf (vgl. BFH, Urteil vom 24.1.2002, XI R 2/01, BFH-PR 2002, 213). Eine Aussage darüber, wie hoch die Zusatzleistung absolut oder relativ zur Höhe der Hauptentschädigung (möglicherweise auch zur Höhe der Gesamtentschädigung) sein darf, hat der BFH noch in keiner Entscheidung getroffen. Im Besprechungsfall beträgt die absolute Höhe der Zusatzleistung 85.000 DM, die relative Höhe 40% der Hauptentschädigung oder 28 % der Gesamtentschädigung. Diese Höhe hat der BFH hier nicht beanstandet.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.1.2004, XI R 22/03

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