FinMin Thüringen, 7.12.2022, S 3229

 

I. Allgemeine Grundsätze

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Abweichend von der Wertermittlung nach den §§ 179 und 182 bis 196 BewG ist der niedrigere gemeine Wert (Verkehrswert/Marktwert) am Bewertungsstichtag festzustellen, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 198 BewG). Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast. Mit der bloßen Vorlage von Auszügen aus der Kaufpreissammlung kann ein niedrigerer gemeiner Wert nicht nachgewiesen werden.

2

Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann für die nach §§ 179 und 182 bis 196 BewG bewerteten wirtschaftlichen Einheiten geführt werden, wobei der Nachweis die jeweils gesamte wirtschaftliche Einheit umfassen muss. Bei Grundstücken im Zustand der Bebauung ist der Verkehrswertnachweis für die gesamte wirtschaftliche Einheit unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten zulässig.

 

II. Sachverständigengutachten

3

Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein Gutachten dienen. Das Gutachten ist

  • vom zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs,
  • von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder
  • von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind,

zu erstellen.

4

Die nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten deutschen Zertifizierungsstellen für Sachverständige für die Wertermittlung von Grundstücken und deren Akkreditierungsumfang sind tagesaktuell auf der Internetseite der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) dargestellt. Im europäischen Ausland akkreditierte Zertifizierungsstellen sind über die Internetseite der Europäischen Kooperation für Akkreditierung (EA) in Verbindung mit den Internetseiten der nationalen Akkreditierungsstellen abrufbar.

5

Die öffentliche Bestellung oder Zertifizierung muss im Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens gegeben sein. Im Rechtsbehelfsverfahren kann ein erneutes Gutachten eingereicht werden, das die Anforderungen an die Qualifikation des Gutachters erfüllt.

6

Die Nachweislast des Steuerpflichtigen umfasst auch den Qualifikationsnachweis des Gutachters.

7

Das Gutachten ist für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht bindend, sondern unterliegt der Beweiswürdigung durch das Finanzamt. Enthält das Gutachten Mängel (z. B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), ist es zurückzuweisen; ein Gegengutachten durch das Finanzamt ist nicht erforderlich. Zur Ordnungsmäßigkeit eines Sachverständigengutachtens gehören methodische Qualität und eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten gelten die auf Grund des § 199 Absatz 1 BauGB erlassenen Vorschriften (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV). Nach Maßgabe dieser Vorschriften sind sämtliche wertbeeinflussenden Umstände zur Ermittlung des gemeinen Werts (Verkehrswerts) von Grundstücken zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch die den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie z. B. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte. Mit Ausnahme des Nachweises der üblichen Miete (> R B 186.5 Absatz 5 ErbStR 2019) kommt ein wertmindernder Nachweis zu einzelnen in den §§ 179 und 182 bis 196 BewG enthaltenen Bewertungsgrundlagen, z. B. hinsichtlich der Bewirtschaftungskosten, nicht in Betracht.

 

III. Stichtagsnaher Kaufpreis

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Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann gem. § 198 Absatz 3 BewG auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind. Maßgeblich für die jeweilige Jahresfrist ist das Datum des notariellen Kaufvertrages.

9

Eine Änderung eines bestandskräftigen Bescheids über die Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 173 Absatz 1 Nummer 2 AO kommt nur in Betracht, wenn das Grundstück schon vor der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung verkauft wurde, der Verkauf dem für die Feststellung zuständigen Bediensteten des Finanzamtes beim Erlass des Feststellungsbescheides jedoch nicht bekannt war und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache trifft. Wird der Grundstückskaufvertrag hingegen erst nach der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung abgeschlossen, liegt eine nachträglich entstandene Tatsache vor, die nicht zu einer Änderung nach § 173 Absatz 1 Nummer 2 AO führt.

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Eine Änderung eines bestandskräftigen Bescheids über die Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO kommt in Betracht, wenn f...

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