Rn. 34

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Die an dieser Stelle punktuell und auch sonst allgemein in der Literatur geäußerte Kritik an dem Erfordernis eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw Attest wurde von der Rspr des BFH aufgegriffen und führte zu einer Neuorientierung bei den Nachweispflichten. So hatte der BFH seine Rspr geändert. In seinen Urteil v 11.11.2010 wich er von diesen strengen Anforderungen ab (BFH BStBl II 2011, 969; 2011, 966). Nach Auffassung des VI. Senats des BFH ergibt sich aus dem Gesetz keine derartigen Nachweispflichten und es widerspreche dem in § 96 Abs 1 S 1 FGO geregelten Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Der StPfl musste somit zur Überzeugung des Gerichts den Nachweis für die ag Belastungen erbringen.

Dies hatte zur Folge, dass der StPfl das Risiko für den Nachweis ag Belastungen trug. Sollte eine Nachweisvorsorge durch ein amtsärztliches Attest nicht betrieben worden sein, hätte im finanzgerichtlichen Verfahren ein Sachverständigengutachten erforderlich sein können, das im Nachhinein die medizinische Indikation der streitigen Behandlung hätte feststellen müssen. Alternativ konnte der StPfl auch im Rahmen eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens gemäß § 82 FGO iVm §§ 485ff ZPO die medizinische Indikation feststellen lassen (vgl auch Kanzler, StRA 2/2011, 15).

 

Rn. 35

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Die neue Sichtweise galt nach BFH-Rspr auch für alternative Behandlungsmethoden bei Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen (s BFH BStBl II 2011, 119). War bisher auch in diesen Fällen eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung für eine Anerkennung von ag Belastungen erforderlich, so waren nun die Aufwendungen anzuerkennen, wenn der StPfl an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung litt und die Behandlung von einer Person vorgenommen wurde, die zur Ausübung der Heilkunde zugelassen war. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme gab in diesen Fällen den Ausschlag für die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den "Griff nach jedem Strohhalm" rechtfertigte.

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