1. Behaltefrist

 

Rn. 105

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts erfolgt nur dann, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung des nämlichen WG ein bestimmter Zeitraum nicht überschritten wird. Da eine Spekulationsabsicht für die Besteuerung nicht notwendig ist und zudem der Begriff "Spekulationsgeschäfte" durch "private Veräußerungsgeschäfte" ersetzt wurde, kann auch nicht mehr von Spekulationsfristen gesprochen werden, sondern besser von Behaltefristen. Diese Frist beträgt

  • zehn Jahre für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (§ 23 Abs 1 Nr 1 EStG; zwei Jahre bis VZ 1998; hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung s Rn 42f) und
  • ein Jahr für andere WG (§ 23 Abs 1 Nr 2 EStG; sechs Monate bis VZ 1998; hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung s Rn 42f).

Erfolgt die Veräußerung nach Ablauf dieser Behaltefrist, kommt eine Besteuerung iRd § 23 EStG nicht mehr in Frage.

 

Rn. 106

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Die Berechnung der Frist erfolgt gemäß § 108 Abs 1 AO nach §§ 187193 BGB. Die Frist endet demnach mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten (dh des zehnten bzw ersten) Jahres, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis, dh die Anschaffung, fällt. Als Faustregel gilt, dass der jeweilige Zeitraum zur Vermeidung der Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts um mindestens einen Tag überschritten sein muss (so Ratschow in Brandis/Heuermann, § 23 EStG Rz 161 (166. EL); vgl zur Fristberechnung auch FG Köln EFG 1989, 114 rkr). Eine Verlängerung der Frist kommt auch dann nicht in Frage, wenn das Fristende auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt, da § 108 Abs 3 AO in diesem Fall nicht zur Anwendung kommt (FG Köln vom 02.06.1997, EFG 1997, 1187 rkr).

 

Beispiel:

Anschaffung eines Grundstücks mit Kaufvertrag vom 03.05.2013. Die Zehnjahresfrist endet mit Ablauf des 03.05.2023, so dass eine Veräußerung ab dem 04.05.2023 steuerfrei ist.

 

Rn. 107

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Das Anschaffungsgeschäft stellt grundsätzlich den Fristbeginn dar. Dabei ist regelmäßig die Anschaffung bereits durch das obligatorische Rechtsgeschäft bewirkt. Die Behaltefrist beginnt danach mit Ablauf des Tages des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses (st Rspr, zB BFH vom 30.11.1976, BStBl II 1977, 384; BFH vom 13.12.1983, BStBl II 1984, 311).

Sofern ein Eigentumsübergang ohne oder zeitlich vor dem Verpflichtungsgeschäft erfolgt, ist dagegen der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums relevant.

 

Rn. 108

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Spiegelbildlich zum Anschaffungsgeschäft stellt die Veräußerung grundsätzlich das Fristende dar. Auch hier ist auf das obligatorische Rechtsgeschäft und mithin den Tag des schuldrechtlichen Vertragsabschlusses abzustellen, sofern das wirtschaftliche Eigentum nichts bereits vor diesem Zeitpunkt übergeht.

 

Rn. 109

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Zur Fristberechnung bei unentgeltlichem Erwerb iRd Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge s Rn 132 und 139.

2. Entgeltliche Übertragungen

a) Begriff und Zeitpunkt der Übertragung

 

Rn. 110

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§ 23 Abs 1 Nr 1 EStG (und Nr 2) ist nur dann erfüllt, wenn die Anschaffung eines WG mit der Veräußerung desselben WG in Beziehung steht. Die Veräußerung und der spiegelbildliche Vorgang der Anschaffung ist die entgeltliche Übertragung eines WG auf bzw von einem Dritten (BFH vom 30.11.2010, BStBl II 2011, 491; BFH vom 30.11.1976, BStBl II 1977, 384; BFH vom 22.09.1987, BStBl II 1988, 250; vgl zur Abgrenzung von einer Nutzungsüberlassung BFH vom 11.02.2014, BStBl II 2014, 566).

Entscheidend für die Besteuerung des privaten Veräußerungsgeschäfts ist, dass der StPfl sich Werterhöhungen von WG innerhalb einer bestimmten Frist wirtschaftlich zugeführt hat. Die Geschäfte, von denen dieser Tatbestand abhängt, sind die jeweiligen Verpflichtungsgeschäfte; die sachenrechtlichen Verfügungsgeschäfte wie die Begründung des Eigentums beim Anschaffungs- bzw Veräußerungsgeschäft stellen nur deren Vollzug dar.

Für die Fristberechnung iRd § 23 Abs 1 Nr 1 und 2 EStG ist damit stets der Zeitpunkt des Abschlusses des zugrundeliegenden Vertrags relevant und nicht der spätere Übergang des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums. Der dingliche Vollzug des jeweiligen Vertrags ist aber zwingende Voraussetzung für eine Steuerbarkeit nach § 23 EStG.

Wird ein geschlossener Vertrag nicht dinglich durch Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums umgesetzt, liegt keine Veräußerung oder Anschaffung iSd § 23 EStG vor.

 

Rn. 111

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Anschaffungs- bzw Veräußerungsgeschäfte sind insb der Tausch- und Kaufvertrag, aber auch die Abgabe des Meistgebots in der Zwangsversteigerung (der Zeitpunkt des Zuschlagsbeschlusses ist dagegen irrelevant, vgl FG D'dorf vom 26.11.2020, DStRE 2021, 592 rkr) sowie gesellschaftsrechtliche Vorgänge, zu denen beispielsweise Einbringungen von WG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in PersGes gehören. Eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten liegt immer dann vor, wenn eine entsprechende – auch teilweise – Gutschrift auf dem...

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