Leitsatz

Eine Landesärztekammer ist als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der sog. "externen Qualitätssicherung Krankenhaus" nicht unternehmerisch tätig, wenn sie insoweit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt und ihre Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 UStG, § 137 SGB V, § 53 SGB X

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Ärztekammer, war im Rahmen der – in § 137 Abs. 1 des SGB V gesetzlich geregelten – "externen Qualitätssicherung Krankenhaus" tätig. Sie erbrachte ihre Leistungen durch eine sog. Projektgeschäftsstelle auf der Grundlage eines von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) und den Verbänden der Kostenträger im Einvernehmen mit der Klägerin geschlossenen "Vertrag[s] über die Umsetzung von Qualitätssicherungsmaßnah­men in Nordrhein-Westfalen" (im Folgenden: Umsetzungsvertrag NRW).

Wesentliche Aufgabe der Projektgeschäftsstelle war die Entgegennahme, Überprüfung, Aufbereitung, Auswertung und Weiterleitung der ihr von den Krankenhäusern übersandten Datensätze sowie die Steuerung der Qualitätsentwicklung durch ein sog. Stufenkonzept bei festgestellten statistischen Auffälligkeiten und Qualitätsdefiziten. Darin war auch das Führen eines "strukturierten Dialogs" u.a. mit den leitenden Klinikärzten vorgesehen.

Die Finanzierung der Qualitätssicherungsmaßnahmen erfolgte über einen von den Krankenhäusern erhobenen Zuschlag auf die von ihnen abgerechneten Pauschalen (Zuschlagsanteil Krankenhaus, Zuschlagsanteil Bund und Zuschlagsanteil Land). Die Krankenhäuser überwiesen den jeweiligen Zuschlagsanteil Land an die Klägerin.

Die Klägerin war der Auffassung, dass sie als Ärztekammer (auch) im Rahmen der Qualitätssicherung hoheitlich tätig werde und mit dieser Tätigkeit keine steuerbaren Umsätze ausführe. Das FA folgte dem nicht und erließ einen Umsatzsteuerbescheid gegen die Klägerin.

Das FG gab der Klage statt (FG Münster, Urteil vom 16.4.2013, 15 K 227/10 U, Haufe-Index 4720271, EFG 2013, 1266).

 

Entscheidung

Der BFH folgte der Auffassung des FG, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Rahmen der sog. "externen Qualitätssicherung Krankenhaus"nicht als Unternehmerin gehandelt hat, sodass die von ihr dabei gegen Entgelt erbrachten Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

Das FG habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin auf öffentlich-rechtlicher Grundlage gehandelt hat. Entscheidend sei insofern, ob die juristische Person (Einrichtung) des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung oder unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer tätig ist. Die Klägerin ist im Rahmen der sog. "externen Qualitätssicherung" im Zusammenhang mit den ihr im HeilBerG NW zugewiesenen Aufgaben aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages tätig geworden. Die Auffassung des FG, dass der Umsetzungsvertrag NRW einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.v. § 53 SGB X darstellt, begegne keinen revisionsrechtlichen Bedenken; darin liege keine Verletzung revisiblen Rechts (vgl. § 118 Abs. 1 FGO).

Das FG habe ferner in revisionsrechtlich nicht zu be­anstandender Weise entschieden, dass die Behandlung der Klägerin als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, weil ein privater Wirtschaftsteilnehmer im Streitfall keine reale Möglichkeit gehabt habe, in den relevanten Markt (gemeint: für den Bereich "externe Qualitätssicherung Krankenhaus") einzutreten.

Der rein gedankliche Fall, dass es zu einer Änderung des Umsetzungsvertrages NRW mit der Folge kommen könne, dass auch private Anbieter die Aufgabe der sog. "externen Qualitätssicherung" übernehmen können, reiche nicht aus, um von einer möglichen realen Änderung der Wettbewerbslage auszugehen.

 

Hinweis

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist in richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG (i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) auf privatrechtlicher Grundlage ausübt. Erfolgt ihre Tätigkeit dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Diese Grundsätze dürften auch für die Neuregelung der Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in dem seit dem 1.1.2016 geltenden § 2b UStG gelten – der u.a. den Begriff "größere Wettbewerbsverzerrungen" definiert. § 2b UStG ist (erst) auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 22 Satz 2 UStG). Die juristische Person des öffentlichen Rechts kann dem Finanzamt gegenüber einmalig erklären, dass sie § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 1.1.2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet (§ 27 Abs. 22 Satz 3 UStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.2.2...

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