Leitsatz

1. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ist auch für Veranlagungszeiträume nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu kürzen, wenn in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung stehender Arbeitslohn nachträglich an den Steuerpflichtigen ausgezahlt wird und der Steuerpflichtige durch arbeitgeberfinanzierte Zukunftssicherungsleistungen oder Altersversorgungsansprüche begünstigt worden war.

2. Der Einspruchsführer kann eine bereits abgegebene, der Finanzbehörde aber noch nicht zugegangene Erklärung über die Rücknahme des Einspruchs durch Abgabe einer gegenläufigen Erklärung widerrufen, wenn der Widerruf der Behörde spätestens zeitgleich mit der Rücknahmeerklärung zugeht.

3. Der Finanzbehörde gehen die an ihre Postfachanschrift übersandten Schriftstücke zu, sobald sie von dem abholenden Bediensteten aus dem Postfach entnommen werden.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 62, § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a, § 10c Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war bis zum 31.12.2000 nichtselbstständig tätig. Ab 1.1. des Streitjahrs 2001 befindet er sich im Ruhestand und bezieht von seinem früheren Arbeitgeber ein Ruhegehalt. Daneben bezog er im Streitjahr 2001 für das Jahr 2000 eine Gratifikation und eine Erfolgsbeteiligung. Für beide Nachzahlungen hatte sein ehemaliger Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge einbehalten.

Das FA minderte im Hinblick auf diese beiden Zahlungen den Vorwegabzug i.S.v. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG bis 2004 für 2001 in voller Höhe.

Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem FG Erfolg (vgl. EFG 2006, 125). Auf die Revision des FA hob der BFH allerdings die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der erkennende Senat habe mit Urteilen vom 17.5.2006, X R 19/05 (BFH/NV 2006, 2049) und vom 26.9.2006, X R 7/05 (BFH/NV 2007, 34) ausgeführt, dass der Vorwegabzug zu kürzen sei, wenn der Arbeitslohn aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stamme, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch Ausgaben des Arbeitgebers für seine Zukunftssicherung i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG oder durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S.d. § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden sei. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt werde, in dessen Verlauf derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben würden (vgl. schon BFH, Urteile vom 4.3.1998, X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466 und vom 3.12.2003, XI R 11/03, BFH-PR 2004, 216). An dieser Auffassung halte der Senat fest.

 

Hinweis

Der Vorwegabzug soll nur denjenigen Steuerpflichtigen eine zusätzliche Steuerentlastung gewähren, die im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten ihre gesamte Altersversorgung aus eigenem Einkommen finanzieren müssen. Der Vorwegabzug soll auch bei solchen Personen gekürzt werden, welche nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, denen jedoch ohne eigene Beitragsleistung eine betriebliche Pensionsanwartschaft zugesagt wird (vgl. BT-Drucks. 8/292, S. 21). Demgegenüber steht denjenigen Steuerpflichtigen, die für ihre Altersversorgung in voller Höhe selbst aufkommen müssen, der ungekürzte Vorwegabzug zu (BT-Drucks. 11/2157, 144).

Nach dem Besprechungsurteil entspricht es der Absicht des Gesetzgebers, aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte ohne eigene Beitragsleistung erworben wurden, im Weg einer generalisierenden Regelung darauf zu schließen, dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist (vgl. BFH, Urteil vom 16.10.2002, XI R 71/00, BFH-PR 2003, 175). Dieser pauschalierende Gedanke soll nach dem Besprechungsurteil auch in den Fällen eingreifen, in denen zeitlich nach Beendigung des mit der Gewährung vorwegabzugsschädlicher Vorteile verbundenen Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslohn ausgezahlt wird, der – wie im Streitfall die Gratifikation und die Erfolgsbeteiligung – mit der früheren aktiven Tätigkeit in engem wirtschaftlichen Zusammenhang steht.

M.E. hätte man mit guten Gründen auch die Auffassung vertreten können, dass nur solche Leistungen vorwegabzugsschädlich seien, die in demjenigen Veranlagungszeitraum erbracht werden, für den der Abzug der Vorsorgeaufwendungen begehrt wird. Für diese Sichtweise könnten die Formulierung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. in der Zeitform des Präsens ("wenn .... Leistungen .... erbracht werden") sowie das Jahresprinzip (vgl. § 2 Abs. 7 EStG) sprechen. Diese Interpretationsmöglichkeit hat der BFH im Besprechungsurteil erwogen, letztlich aber mit ausführlicher Begründung verworfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.12.2006, X R 38/05

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