Rz. 55

[Autor/Stand] Die Regelung des § 398 AO ist auch im Zusammenhang mit der strafbefreienden Selbstanzeige von Bedeutung. Die Berichtigung im Wege der Selbstanzeige hat grundsätzlich in vollem Umfang zu erfolgen. Indes ließen geringfügige Abweichungen von 6–10 % die Wirksamkeit der Selbstanzeige auch bisher unberührt[2]. Nach der Gesetzesbegründung sollen auch weiterhin Unschärfen im praktischen Vollzug hinzunehmen sein und Bagatellabweichungen nicht zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führen[3]. Die Summe der hinterzogenen Steuern und die sich ergebende Abweichung können dabei, wie bei der sonstigen Einstellung nach § 398 AO auch, nur ein Anhaltspunkt für die Geringfügigkeit sein. Zum Begriff der Geringfügigkeit gelten vielmehr die oben ausgeführten Grundsätze. Denn neben einer geringwertigen Steuerverkürzung oder geringwertigen Steuervorteilen hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, zusätzlich das Merkmal der geringen Schuld und des fehlenden öffentlichen Interesses mit aufzunehmen. Insbesondere in der staatsanwaltlichen Praxis oder gem. § 153 Abs. 2 StPO im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgt auch jenseits der wertmäßig tradierten[4] Geringfügigkeitsgrenzen eine Einstellung des Verfahrens. Entscheidend ist letztlich die Frage der individuellen Vorwerfbarkeit, mithin die Frage nach der dem Täter anzulastenden Schuld. Die Problematik um "nicht-dolose" Teilselbstanzeigen wird hierdurch erheblich entschärft.

 

Beispiel

Die Unwirksamkeit der Selbstanzeige gründet allein auf einem Fehler des steuerlichen Beraters, den der Stpfl. nicht zu erkennen vermochte.

Eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag i.S.d. § 370 Abs. 4 AO ist nach Ansicht des BGH nicht mehr geringfügig[5]. Vielmehr soll eine wertende Betrachtung vorgenommen werden, ob bei Gesamtwürdigung der Umstände nicht auch unterhalb der postulierten 5 % eine Versagung der Strafbefreiung in Betracht kommt, etwa ob es sich um bewusste Abweichungen handelt oder in einer zu niedrigen Schätzung noch die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gesehen werden kann[6]. Dieser Gedanke lässt sich auch für Einstellungen nach § 398 AO bzw. § 153 StPO übertragen.

[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.08.2019
[2] OLG Frankfurt v. 18.10.1961 – I Ss 854/61, NJW 1962, 974; BGH v. 14.12.1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698; Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 244; Jäger in Klein14, § 371 AO Rz. 20; vgl. auch Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640.
[3] BT-Drucks. 17/5067, 19.
[4] Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt62, § 153 StPO Rz. 17; 200–300 EUR Diemer in KK8, § 153 StPO Rz. 43; 1.500 EUR Rolletschke in Rolletschke/Kemper, § 398 AO Rz. 12; max. 500 EUR Jäger in Klein14, § 398 AO Rz. 4.
[5] BGH v. 25.7.2011 – 1 StR 631/10, NJW-Spezial 2011, 633; vgl. hierzu Geuenich, BB 2011, 3106; Trüg, NJW 2012, 3256; Spatscheck/Höll, SAM 2011, 206, 561; Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640.

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