Leitsatz

Vereinbart ein als Prozessbevollmächtigter tätiger Rechtsanwalt mit einem in seinem Zustellbezirk eingesetzten Postzusteller, an Samstagen die an sein Büro adressierten Postsendungen wieder mitzunehmen, falls das Büro nicht besetzt ist, und sie erst am darauffolgenden Werktag auszuliefern, kann er sich als eine geschäftlich für Dritte Rechtsangelegenheiten wahrnehmende Person nicht darauf berufen, ihm sei eine mit einfachem Brief bekannt gegebene Einspruchsentscheidung nicht innerhalb der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zugegangen.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1, , AO 1977 § 366 Satz 2 , FGO § 56 Abs. 1

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 09.12.1999, III R 37/97

Anmerkung

Eine Einspruchsentscheidung gilt bei Übermittlung durch die Post am dritten nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Rechtsanwalt hatte die danach berechnete einmonatige Klagefrist versäumt. Er machte geltend, die Einspruchsentscheidung sei ihm nicht am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post – einem Samstag – zugegangen, da sein Büro samstags nicht besetzt sei und er mit dem Postboten eine Absprache getroffen habe, dass samstags keine Post ausgeliefert werde, sondern erst am darauf folgenden Montag.

Der BFH folgte dem nicht. Ein Schriftstück ist nämlich bereits dann zugegangen, wenn es so in dem Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er davon unter Ausschluss Dritter Kenntnis nehmen kann. Diese Voraussetzungen sieht der BFH nicht nur dann als erfüllt an, wenn eine Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt worden ist, sondern auch dann, wenn der Empfänger die verspätete Zustellung verursacht hat. Der BFH zieht eine Parallele zum Zugang beim Einlegen in das Postfach, auch wenn dieses nicht rechtzeitig geleert wird, und zum Fall der Verweigerung der Annahme einer Sendung. Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte im Streitfall nicht weiterhelfen, da dem Kläger das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen war.

Hinweis : Der BFH stellt entscheidend darauf ab, dass ein berufsmäßiger Prozessbevollmächtigter – hier ein Rechtsanwalt, das Gleiche gilt für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – immer mit dem Eingang fristgebundener Erklärungen rechnen muss und deshalb auch dafür sorgen muss, dass diese sie erreichen. Diese Prozessbevollmächtigten dürfen daher den vorgesehenen Zugang gewöhnlicher Briefsendungen nicht durch eine Privatabmachung mit dem Postboten über eine spätere Auslieferung verhindern. Der Entscheidung ist wohl zu entnehmen, dass ähnlich strenge Maßstäbe bei einem nicht durch einen der genannten Berufsangehörigen vertretenen Steuerpflichtigen nicht angelegt werden könnten.

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