Leitsatz

Die Verwendung eines außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zugelassenen und im Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben in das Zollgebiet verbrachten Straßenfahrzeugs für einen unzulässigen Binnenverkehr innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft führt neben der Entstehung der Zollschuld auch zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld.

Die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer setzt nicht voraus, dass der Binnentransport nur im umsatzsteuerrechtlichen Inland durchgeführt worden ist.

 

Normenkette

§ 76 AO, § 6 GüKG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 2 UStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 EUStBV, Art. 137, Art. 204 Abs. 1, Art. 232 Abs. 1 Buchst. a ZK, Art. 232 Abs. 1 Buchst. b, Art. 233 Buchst. a, Art. 555 Abs. 1 Buchst. c, Art. 558 Abs. 1 Buchst. c, Art. 859 ZKDVO

 

Sachverhalt

Ein in Bulgarien zugelassener, zur vorübergehenden Verwendung in der Gemeinschaft abgabefrei eingeführter Lastzug transportierte Waren von Deutschland nach Griechenland. Das HZA setzte für den Lastzug nachträglich nicht nur Zoll, sondern auch EUSt fest und beschlagnahmte ihn.

Das FG hob den Bescheid jedoch insoweit auf, als EUSt festgesetzt worden war. Es meinte, da kein Binnenverkehr innerhalb des Steuergebiets vorliege, sei EUSt – anders als Zoll – nicht entstanden.

 

Entscheidung

Für den Lastzug ist nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK unstrittig eine Zollschuld entstanden, da eine der Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung nicht erfüllt worden ist.

Der Zollschuld folgt die EUSt-Schuld; auf das Vorliegen eines Binnenverkehrs innerhalb des Steuergebiets stellt das UStG mit seiner Generalverweisung auf die Zollvorschriften offenkundig nicht ab.

Da der Lastzug in Deutschland für einen (zollrechtlich) unzulässigen Binnenverkehr (Deutschland – Griechenland) verwendet worden ist, wurde das bewilligte Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung nicht unter den vorgesehenen Voraussetzungen beendet (Art. 89 Abs. 2 ZK); damit war der Lastzug (auch) einfuhrumsatzsteuerrechtlich im Inland eingeführt und unterlag mithin (auch) der EUSt.

 

Hinweis

1. Fahrzeuge können formlos in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt werden (Art. 232 Abs. 1 Buchst. b ZKDVO i.V.m. Art. 233 Buchst. a ZKDVO). Sie dürfen dann aber nur für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden. Sonst entsteht eine Zollschuld. Zollschuldner wird, wer als Inhaber der Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung (Art. 138 ZK) die Pflicht zu erfüllen hat, den Lastzug nicht für die Durchführung eines unzulässigen Binnenverkehrs einzusetzen (Art. 204 Abs. 3 ZK).

2. Gewerblich verwendete Fahrzeuge dürfen im Binnenverkehr (Art. 555 Abs. 1 Buchst. c ZKDVO) nur eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften diese Möglichkeit vorsehen (Art. 558 Abs. 1 Buchst. c Halbs. 2 ZKDVO).

Einschlägig wird dadurch § 6 Satz 2 Nr. 2 GüKG; Unternehmer, die ihren Sitz nicht im Inland haben, dürfen grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr ohne besondere Erlaubnis gem. § 3 GüKG ausführen, sofern sie für den Transport eine sog. CEMT-Genehmigung besitzen und diese bei dem Transport mit sich führen.

3. Der EUSt unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG die Einfuhr von Gegenständen "im Inland"; Steuerentstehungstatbestand ist also zunächst, dass der Gegenstand aus dem Drittlandgebiet über die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft hinweg in die Gemeinschaft verbracht wird; die "Einfuhr" erfolgt aber bei (bedingter) Abgabebefreiung erst in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem die Abgabe entsteht (hier: wegen zweckwidriger Verwendung für einen innergemeinschaftlichen Transport).

Bei vorübergehender Einfuhr unter vollständiger Befreiung von Eingangsabgaben erfolgt die Einfuhr also erst in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr den Regelungen dieses Zollverfahrens unterliegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.5.2006, VII R 49/05

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