Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer atypisch stillen Gesellschaft bei schwach ausgeprägtem Unternehmerrisiko; Atypisch stille Gesellschaft; Unternehmerrisiko; Unternehmerinitiative; Verdeckte Mitunternehmerschaft; Stille Reserve; Beratendes Familienmitglied

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine atypisch stille Gesellschaft liegt vor, wenn sich aus der gebotenen Gesamtwürdigung ergibt, dass der stille Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative ausübt.
  2. Ein stiller Gesellschafter ist regelmäßig dann Mitunternehmer, wenn er im Innenverhältnis schuldrechtlich an den stillen Reserven beteiligt ist.
  3. Beschränkt sich die Verlustbeteiligung auf die Höhe der Einlage und besteht keine ernst zu nehmende Aussicht auf das Entstehen von stillen Reserven trägt der stille Gesellschafter kein Unternehmerrisiko und ist nicht als Mitunternehmer anzusehen, da der vereinbarte Abfindungsanspruch wirtschaftlich wertlos ist.
  4. Bei schwach ausgeprägtem Unternehmerrisiko kann in Ausnahmefällen Mitunternehmerschaft angenommen werden, wenn die Möglichkeit zur Entfaltung der Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist.
  5. Eine besonders starke Ausprägung der Mitunternehmerinitiative setzt voraus, dass der Stille wie ein Unternehmer über Geschäftsführungsbefugnisse verfügt, die es ihm gestatten unmittelbaren Einfluß auf den Erfolg und Misserfolg des Unternehmens zu nehmen.
  6. Eine verdeckte (faktische) Mitunternehmerschaft liegt nur vor, wenn zwischen den Beteiligten Rechtsbeziehungen bestehen, die zivilrechtlich als Innengesellschaft sverhältnis zu werten sind und den übrigen Kriterien des Mitunternehmerbegriffs genügen.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

1994, 1995, 1996

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.08.2002; Aktenzeichen IV R 6/01)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in den Streitjahren 1994 - 1996 zwischen der Klägerin zu 1.(Kl) und dem 1996 verstorbenen B., Rechtsvorgänger der Klägerin zu 2., eine atypische stille Gesellschaft bestanden hat.

Die inzwischen in Liquidation befindliche Kl. betrieb seit ihrer Gründung im Jahr 1990 den Kfz - Handel sowie eine Reparaturwerkstatt mit Vertretung der C. Gesellschafter und Geschäftsführer sind B und M, die Kinder des B. und der Klägerin zu 2. In dem mit C abgeschlossenen Händlervertrag verpflichtete sich die Kl, eine Ausstellungshalle zu errichten. Da ihr jedoch hierzu die notwendigen Mittel fehlten, hat B. 1991 - 1992 auf dem Grundstück W in X eine Verkaufshalle errichtet und erweitert und an die Kl. vermietet. In den Jahren 1990 - 1994 hat die Kl diverse Kredite bei der Volksbank in Anspruch genommen, die mangels eigener ausreichender Sicherheiten durch selbstschuldnerische Bürgschaften der Eheleute B (senior) und Grundpfandrechte auf ihrem Grundvermögen abgesichert wurden. Am 15.5.1995 gaben sie eine Rangrücktrittserklärung ab. Dabei erklärten sie, daß sie Kündigungsrechte, Freistellungs- und Aufwendungsersatzansprüche gegen die Kl aus den Bürgschaften und Grundpfandrechten solange nicht geltend machen wollten, solange die teilweise oder vollständige Begleichung dieser Rechte und Ansprüche zu einer Überschuldung der Gesellschaft führe. Sie erklärten ferner, daß sie mit ihren Forderungen hinter die Forderungen aller Gläubiger in der Weise zurücktreten sollten, daß ihre Forderungen nur zu Lasten von zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquiditationsüberschuß oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin übersteigenden Vermögen bedient zu werden brauchen.

Mit Schreiben vom 11.9.1996 wurde dem beklagten Finanzamt (FA) zusammen mit den Steuererklärungen der Kl für 1994 die Fotokopie eines undatierten Gesellschaftsvertrages eingereicht, wonach sich B. am Betrieb der Kl mit Wirkung vom 1.1.1994 als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt. In der Vorbemerkung heißt es, daß die GmbH ihre Kreditgrenze von 970.000 DM fast erreicht habe und B., um die Zahlungsfähigkeit der GmbH zu garantieren, ihr gegenüber eine Schuldübernahmeerklärung betreffend die Verbindlichkeiten gegenüber der Volksbank in Höhe von 250.000 DM abgegeben habe mit der Verpflichtung, diese der Volksbank offen zu legen und der GmbH 250.000 DM zur Verfügung zu stellen, wenn die Volksbank wegen Überschreitung der Kreditgrenze neue vertragliche oder gesellschaftliche Regelungen fordere. Der Vertrag über die Errichtung einer atypischen stillen Gesellschaft sah vor, daß die Einlage von B. 250.000 DM betragen und dadurch erbracht werden sollte, daß er Verbindlichkeiten der Kl in Höhe des genannten Betrages als persönliche Schuld übernahm. B. sollte ferner an Gewinn und Verlust beteiligt sein, am Verlust jedoch nur bis zur Höhe seiner jeweiligen Einlage. Bei Beendigung der atypischen stillen Gesellschaft sollte ihm ein Abfindungsanspruch zustehen, und zwar ein seiner Einlage entsprechender Anteil an Firmenwert und stillen Reserven. Ihm wurden ferner in bestimmtem Umfang Rechte zur Beteiligung bei besonderen Geschäften sowie Kontrollen zugestanden. Für die Einz...

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