Rz. 48

Das Festwertverfahren nach § 240 Abs. 3 S. 1 und § 256 S. 2 HGB (vgl. auch R 5.4 Abs. 3 EStR 2012 für das Anlagevermögen und H 6.8 EStH 2021 für das Vorratsvermögen)[1] ist ein besonderes Verfahren zur Vereinfachung der Inventur und der Bewertung. Gegenstand des Festwertverfahrens sind bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens – mit Ausnahme von immateriellen Wirtschaftsgütern und Finanzanlagen – sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Sie können zu einem Festwert zusammengefasst werden, der jedes Jahr in der Bilanz in der gleichen Höhe erscheint. Der Festwert tritt an die Stelle der Einzelwerte, die sich bei einer Einzelbewertung nach den maßgebenden Bewertungsvorschriften ergeben würden. Kurzlebige Wirtschaftsgüter mit einer Nutzungsdauer von nicht mehr als zwölf Monaten sind bei der Bildung eines Festwerts nicht als Zugang zu berücksichtigen.[2]

 

Rz. 49

Das Festwertverfahren geht von der Annahme aus, dass die Neuzugänge in etwa den Abschreibungen und den verbrauchten Mengen wertmäßig entsprechen.[3] Infolgedessen sind Neuzugänge sofort als Aufwand abziehbar, es entfallen aber auch AfA auf den Festwert. Eine Bestandsaufnahme ist nach § 240 Abs. 3 S. 2 HGB nur alle 3 Jahre, nach R 5.4 Abs. 3 S. 1 EStR 2012 im Regelfall alle 3 Jahre, spätestens aber alle 5 Jahre erforderlich. Der sofortige Abzug von Neuzugängen bewirkt für den Kaufmann einen Substanzerhalt.[4]

 

Rz. 50

Das Festwertverfahren ist nach § 240 Abs. 3 S. 1 HGB zulässig[5], wenn

  • Gegenstand des Verfahrens bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe sind,
  • die Wirtschaftsgüter funktionsgleich oder funktionsverbunden sind,
  • die Wirtschaftsgüter regelmäßig ersetzt werden,
  • der Gesamtwert der Wirtschaftsgüter von nachrangiger Bedeutung ist,
  • der Bestand der Wirtschaftsgüter in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt.

Steuerlich ist darüber hinaus erforderlich, dass der Festwert schon in der Handelsbilanz gewählt worden ist.

 

Rz. 51

Eine Anwendung des Festwertverfahrens ist auch bei verschiedenartigen Wirtschaftsgütern zulässig, sofern zwischen ihnen ein Funktionszusammenhang besteht, z. B. bei Büromöbeln oder Hotelgeschirr.[6] Eine zusammenfassende Bewertung von Wirtschaftsgütern mit einem Festwert findet jedoch dort ihre Grenze, wo sich zu wesentliche Abweichungen gegenüber einer Einzelbewertung ergeben, um noch einen Festwert bilden zu können.[7] Das Festwertverfahren ist unzulässig für Handelswaren, Halb- und Fertigerzeugnisse, immaterielle Wirtschaftsgüter, unbewegliche Wirtschaftsgüter, Beteiligungen und kurzlebige Wirtschaftsgüter.[8]

 

Rz. 51a

Festwerte können beispielsweise gebildet werden für Betriebs- und Geschäftsausstattung, Flaschenkästen, Gerüst- und Schalungsteile, Hotelgeschirr, Hotelwäsche, Kanaldienen, Kokollen, Laboratoriumseinrichtungen und Leuchtstoffröhren .[9]

 

Rz. 52

Um einen Festwert zu bilden, etwa wenn ein Betrieb eröffnet wird, werden zunächst – entsprechend dem Grundsatz der Einzelbewertung – alle Zugänge mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert und auch abgeschrieben. Zur Bildung eines Festwerts geht der Unternehmer erst dann über, wenn den Zugängen etwa gleich hohe Abgänge sowie planmäßige Abschreibungen gegenüberstehen. Der Zeitpunkt zum Übergang zur Festbewertung ist gekommen, wenn der vorhandene Bestand einen Durchschnittswert von 40 bis 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erreicht hat. Anschaffungs- oder Herstellungskosten werden von da an als Betriebsausgaben behandelt. Eine AfA findet nicht mehr statt.

 
Praxis-Beispiel
 
Bildung eines Festwerts: EUR
Zugang 1. Jahr (1. Halbjahr) 100.000
Nutzungsdauer 5 Jahre, AfA 20.000
31.12. 1. Jahr 80.000
Zugang 2. Jahr (1. Halbjahr) 100.000
AfA 40.000
31.12. 2. Jahr 140.000
Zugang 3. Jahr l00.000
AfA 60.000
31.12. 3. Jahr 180.000
Zugang 4. Jahr 100.000
AfA 80.000
31.12. 4. Jahr 200.000
Zugang 5. Jahr 100.000
AfA 100.000
31.12. 5. Jahr 200.000
Festwert 200.000

Rz. 53 einstweilen frei

 

Rz. 54

Hat sich der auf einen Bilanzstichtag ermittelte Wert gegenüber dem bisherigen Festwert um nicht mehr als 10 % erhöht, so kann der bisherige Festwert beibehalten werden. Sind es mehr als 10 %, so ist der ermittelte Wert als der neue Festwert maßgebend. Der bisherige Festwert ist dann solange um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der nach dem Bilanzstichtag des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter aufzustocken, bis der neue Festwert erreicht ist. Ist der ermittelte Wert niedriger als der bisherige Festwert, so kann der Stpfl. den ermittelten Wert als neuen Wert ansetzen (R 5.4 Abs. 3 EStR 2012).

 

Rz. 55

Preissteigerungen der im Festwert zusammengefassten Wirtschaftsgüter führen für sich allein noch zu keiner Änderung des Festwerts. Anderenfalls würde dies zu einer Besteuerung nicht realisierter Gewinne führen.

Preissenkungen hingegen sind im Wege der Teilwertabschreibung zu berücksichtigen.

[1] Büttner/Wenzel, DB 1992, 188...

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