Rz. 97

Nach § 50d Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 EStG sind bestimmte Gesellschaften von der Regelung des Abs. 3 ausgenommen. Diese Regelung entspricht teilweise der bisherigen Rechtslage nach § 50d Abs. 3 S. 5 EStG a. F. Diese Gesellschaften brauchen daher die persönlichen Voraussetzungen nach Abs. 3 Nr. 1 und den Funktionstest nach Abs. 3 Nr. 2 nicht zu erfüllen, sondern sind immer, unabhängig von der Entlastungsberechtigung der Gesellschafter und der Art und dem Umfang ihrer Tätigkeit entlastungsberechtigt. Es handelt sich um börsennotierte ausl. Gesellschaften. Der Gesetzgeber sieht bei börsennotierten Gesellschaften die Vermutung des Missbrauchs als widerlegt an. Solche Körperschaften haben eine Vielzahl von Anteilseignern, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein einzelner Anteilseigner die Beziehungen zu seinem eigenen steuerlichen Vorteil gestalten kann.[1] Bei diesen Gesellschaften ist ein Durchgriff auf die Gesellschafter wegen der Anonymität des Aktienbesitzes auch praktisch nicht möglich. Die Regelung des Abs. 3 könnte auch unerwünschte Auswirkungen auf den Börsenkurs haben. Börsennotierte Gesellschaften werden daher von der Geltung des Abs. 3 ausgeklammert. Da es auf die Notierung an einer Börse ankommt, sind alle KSt-Subjekte, die nicht börsenfähig sind, von der Ausnahme ausgeschlossen. Das betrifft z. B. Rechtsformen, die der GmbH, Genossenschaften, Stiftungen und Zweckvermögen vergleichbar sind. Vgl. aber zu Investmentfonds Rz. 38.

 

Rz. 98

Die Börsenklausel setzt nach dem Wortlaut des § 50d Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 EStG voraus, dass die Anteile an der zwischengeschalteten Körperschaft an der Börse notiert sind. Das Gesetz sagt ausdrücklich, dass die Anteile "an ihr", d. h. an der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, an der Börse notiert sind. Diese Formulierung ist eindeutig. Sie bedeutet, dass es in einer Beteiligungskette nicht darauf ankommt, ob die Anteile eines Gesellschafters auf einer höheren Stufe der Beteiligungskette börsennotiert ist. In diesen Fällen sieht der Gesetzgeber die Vermutung des Missbrauchs nicht als widerlegt an, da auch börsennotierte Gesellschaften hinsichtlich ihrer Tochter- und Enkelgesellschaften Missbrauch betreiben können.[2]

In diesem Fall besteht die Entlastungsberechtigung nur, wenn die börsennotierte Gesellschaft selbst sachlich entlastungsberechtigt ist. Ein Rückgriff auf ihre Gesellschafter dürfte angesichts der Anonymität des Aktienbesitzes nicht möglich sein. Insgesamt ist die Verschärfung der Börsenklausel unzweckmäßig und dürfte praktisch erhebliche Probleme bereiten.

 
Praxis-Beispiel

Börsennotierung

(1) An der A-GmbH ist die X-Plc. mit Sitz in Großbritannien zu 100 % beteiligt. Die Anteile der X-Plc. sind an der Londoner Börse notiert.

§ 50d Abs. 3 EStG ist nicht anwendbar, auch wenn die Tätigkeit der X-Plc. nicht der Funktionsvoraussetzung des § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG entspricht. Die Börsennotierung schließt bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der Börsenklausel die Anwendung dieser Vorschrift aus. Der X-Plc. steht die Entlastungsberechtigung nach dem DBA-UK zu.

(2) An der A-GmbH ist die X-Ltd. mit Sitz in Großbritannien zu 100 % beteiligt. Die Anteile der X-Ltd. werden zu 100 % von der Y-Plc. gehalten. Die Anteile der Y-Plc. sind an der Londoner Börse notiert.

Die Börsenklausel ist nicht anwendbar, da nicht die Anteile der X-Ltd. an der Börse notiert sind. Die Entlastungsberechtigung hängt davon ab, ob die X-Ltd. bzw. die Y-Plc. die Voraussetzung des § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG erfüllen. Ist das nicht der Fall, ist ein Rückgriff auf die Gesellschafter der börsennotierten Gesellschaft nach § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EStG nicht möglich, da diese Gesellschafter nicht bekannt sein dürften.

 

Rz. 99

Voraussetzung für die Ausnahme bei börsennotierten Gesellschaften ist, dass für die Hauptgattung der Aktien (d. h. diejenige Aktiengattung, bei der das Schwergewicht der Beteiligung am Nennkapital liegt; Stammaktien) ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Lediglich eine Registrierung an einer Börse reicht nicht; die Anteile müssen tatsächlich in einem beachtlichen Umfang gehandelt werden. Es genügt weder ein einmaliger oder gelegentlicher Handel der Anteile noch genügt der Handel weniger Aktien, während die überwiegende Mehrzahl der Anteile fest gehalten und nicht gehandelt werden. Außerdem muss der Handel an einer anerkannten Börse stattfinden; Handel im Freiverkehr und über nicht anerkannte Börsen reicht nicht. Eine Börse ist anerkannt, wenn es sich um einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG oder um vergleichbare Märkte außerhalb der EU bzw. des EWR handelt. Ein organisierter Markt ist danach ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist.

 

Rz. 100

Diese Merkmale, die unbestimmte Rechtsbegriffe sind, sind nach dem Zweck der Regelung auszulegen, also zu verhindern, dass die Anwend...

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