6.1 Rechtsentwicklung und Inkrafttreten

 

Rz. 304

§ 50d Abs. 11 EStG enthält eine besondere Regelung für den Fall, dass ein DBA die Steuerfreistellung einer Gewinnausschüttung vorsieht, diese aber nach nationalem Recht einem anderen als dem Zahlungsempfänger zugerechnet wird, der nach seiner Rechtsform diese Steuerfreistellung nicht in Anspruch nehmen kann. Die Vorschrift wurde durch G. v. 8.5.2012[1] eingeführt und gilt nach § 52 Abs. 59a S. 9 EStG erstmals für Zahlungen, die nach dem 31.12.2011 erfolgen; mit "erfolgen" dürfte der Zufluss gemeint sein.

 

Rz. 305

Der Vorschlag zur Ergänzung des § 50d EStG um einen Abs. 11 wurde erstmals im Finanzausschuss am 8.2.2012 öffentlich erörtert.[2] Der Bundestag hat das G. am 8.3.2012[3], der Bundesrat am 30.3.2012 beschlossen; es ist am 8.5.2012 vom Bundespräsidenten unterzeichnet worden. Im BGBl wurde das Gesetz am 11.5.2012 verkündet[4]; im BStBl ist es bisher nicht veröffentlicht worden. Nach Art. 5 tritt das Gesetz am 1.1.2012 in Kraft. Nach § 52 Abs. 59a S. 9 EStG ist § 50d Abs. 11 EStG auf alle Zahlungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2011 erfolgen. Das Gesetz entfaltet daher für den Zeitraum ab 1.1.2012 bis zur Verkündung im BGBl am 11.5.2012 unechte Rückwirkung. Da die Rspr. vorher gegenteilig entschieden hatte (Rz. 309), durfte der Stpfl. auf die Rechtslage, wie sie sich nach der Rspr. des BFH ergab, vertrauen, bis dieses Vertrauen wirksam zerstört wurde. M. E. ist der maßgebende Zeitpunkt, zu dem das Vertrauen des Stpfl. in die Rechtslage nicht mehr gegeben war, der Tag des Gesetzesbeschlusses des Bundestags, also der 8.3.2012. Bis zum Tag der öffentlichen Diskussion im Finanzausschuss am 8.2.2012 konnte der Stpfl. keinesfalls damit rechnen, dass § 50d Abs. 11 EStG eingeführt wurde. Aber auch für den Zeitraum bis zum 8.3.2012 musste er m. E. nicht von einer Änderung ausgehen, da der Stpfl. nicht verpflichtet ist, Diskussionen im Finanzausschuss zu verfolgen. Für den Zeitraum bis zum 8.3.2012 ist das Gesetz daher wegen des Bruchs des berechtigten Vertrauens des Stpfl. verfassungswidrig und insoweit nichtig, als es Rückwirkung für die Zeit v. 1.1.2012 – 8.3.2012 anordnet.

[1] BGBl I 2012, 1030; Kollruss, DStZ 2012, 702; Kollruss/Weißert/Dilg, DB 2013, 423; Kollruss, BB 2013, 157; Kopec/Kudert, IStR 2013, 498.
[2] BT-Drs. 17/8867.
[3] BR-Drs. 114/12.
[4] BGBl I 2012, 1030.

6.2 Anwendungsbereich der Vorschrift

 

Rz. 306

Die Vorschrift setzt voraus, das Gewinnausschüttungen nach einem DBA bei dem Zahlungsempfänger von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, also steuerfrei zu stellen sind. Sie erfasst daher nur den Fall, dass die Gewinnausschüttung im Inland zur Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer gehört und dass hierauf ein DBA anwendbar ist. Das ist nur der Fall, wenn der Empfänger in Deutschland unbeschränkt stpfl. ist. Denkbar wäre auch der Fall, dass eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte im Inland unterhält und die Dividende aus einem dritten Staat zu den Betriebseinnahmen der Betriebsstätte gehört. In diesem Fall ist aber ein DBA nicht anzuwenden, da die Betriebsstätte nicht abkommensberechtigt ist.

 

Rz. 307

Weitere Voraussetzung ist, dass nach dem anzuwendenden DBA die Gewinnausschüttung aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen ist. Eine solche Steuerfreistellung enthalten die DBA nur aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs. Voraussetzung des internationalen Schachtelprivilegs ist, dass eine deutsche Gesellschaft, d. h. eine Körperschaft (keine Personengesellschaft) Gewinnausschüttungen von einer im anderen Staat ansässigen Körperschaft erhält, an der die deutsche Körperschaft zu mindestens 25 % oder 10 % unmittelbar beteiligt ist. In neueren Abkommen wird außerdem zur Voraussetzung gemacht, dass die Ausschüttung bei der ausschüttenden Gesellschaft bei der Ermittlung des Gewinns nicht abgezogen worden ist.[1]§ 50d Abs. 11 EStG regelt also den Fall, dass eine ausl. Körperschaft Gewinnausschüttungen an einen in Deutschland ansässigen Gesellschafter vornimmt, wobei nach dem einschlägigen DBA die Voraussetzungen des internationalen Schachtelprivilegs erfüllt sind.

 

Rz. 308

Besonderheiten des deutschen Steuerrechts können nun dazu führen, dass das internationale Schachtelprivileg von Personen in Anspruch genommen werden kann, denen es nach Sinn und Zweck der entsprechenden DBA-Regelung nicht zustehen soll. Nach den Regeln des jeweiligen DBA muss Empfänger der Ausschüttung immer eine Körperschaft sein. Solange nach deutschen steuerlichen Regeln die Ausschüttung auch dieser Körperschaft zuzurechnen ist, entspricht die Steuerfreistellung im Inland dem DBA, sodass keine Korrektur erforderlich ist. Die Regelung des internationalen Schachtelprivilegs entspricht insoweit auch § 8b Abs. 1 KStG, sodass ohnehin eine Steuerfreistellung eingreifen würde. Handelt es sich bei dem Empfänger der Ausschüttung aber um eine hybride Gesellschaftsform, kann die Ausschüttung ganz oder z. T. steuerlich unmittelbar einer natürlichen Person zugerechnet werden. In diesem Fall würde § 8b Abs. 1 KSt...

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