Rz. 11

Wegen der Unterschiede in den Regelungen für handels- und steuerrechtliche Umwandlungsbilanzen stellt sich die Frage, ob die handelsrechtliche Übertragungs- oder Übernahmebilanz für die steuerrechtliche Umwandlungsbilanz i.S.d. § 5 Abs. 1 EStG maßgeblich ist. Sollte dies der Fall sein, müssten die steuerlichen Wahlrechte zum Buch-, Teil- oder Zwischenwertansatz in Übereinstimmung mit den Ansätzen in der handelsrechtlichen Umwandlungsbilanz ausgeübt werden. Nach dem Grundsatz der „umgekehrten Maßgeblichkeit” (vgl. § 5 Abs. 2 EStG) würde dies bedeuten, dass die Erzielung des gewünschten steuerlichen Ergebnisses (insbesondere die Steuerneutralität durch Buchwertansatz) vom entsprechenden Aansatz in der handelsrechtlichen Umwandlungsbilanz abhängt[1].

Das UmwStG enthält lediglich in § 3 Abs. 2 und in § 20 Abs. 2 S. 2 Regelungen, wonach der Ansatz mit dem Buchwert auch dann zulässig ist, wenn in der Handelsbilanz ein höherer Wert angesetzt werden muss. Für den umgekehrten Fall (niedrigerer Wert in der handelsrechtlichen Umwandlungsbilanz) sowie für den Fall der Verschmelzung (vgl. §§ 11ff. UmwStG) und der Spaltung (vgl. § 15 UmwStG) enthält das UmwStG weder eine ausdrückliche Regelung der Maßgeblichkeit noch ausdrücklich Ausnahmen hiervon. Hieraus ist geschlossen worden, dass insoweit, als keine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der Maßgeblichkeit besteht (vgl. § 3 Abs. 2, § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG), die handelsrechtlichen für die steuerrechtlichen Umwandlungsbilanzen maßgeblich seien[2].

 

Rz. 12

M.E. folgt aber aus der Gesamtheit der gesetzlichen Regelungen, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit im Bereich der Umwandlungsbilanzen nicht gelten kann.

So gibt es beim Formwechsel keine handelsrechtliche Umwandlungsbilanz, die maßgeblich für die steuerliche Umwandlungsbilanz sein könnte. Da etwa die Umwandlung von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ein Formwechsel, eine Verschmelzung oder eine Spaltung sein kann, wäre bei Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes die Folge, dass bei der Durchführung dieser Maßnahme als Formwechsel die Maßgeblichkeit nicht gelten würde, bei Durchführung in Form der Verschmelzung oder Spaltung wäre der Maßgeblichkeitsgrundsatz anzuwenden. Für eine solche Ungleichbehandlung eines wirtschaftlich gleichen Vorgangs fehlt jede steuersystematische Rechtfertigung.

Das Wahlrecht zum Buch-, Teil- oder Zwischenwertansatz ist steuerrechtlich in der Übertragungsbilanz des übertragenden Rechtsträgers auszuüben. Bei Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes wäre dies steuerlich nur möglich, wenn auch in der handelsrechtlichen Übertragungsbilanz entsprechend bilanziert würde. Das ist aber nicht möglich, da handelsrechtlich ein solches Wahlrecht nicht besteht, vielmehr in der handelsrechtlichen Übertragungsbilanz nach §17 Abs. 2 UmwG zwingend die Buchwerte anzusetzen sind. Damit würden die steuerlichen Wahlrechte gegenstandslos. Es kann aber nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber praktisch bedeutungslose Wahlrechte geschaffen bzw. beibehalten hat. Vielmehr ist aus dem Bestehen der steuerrechtlichen Wahlrechte zu folgern, dass sie tatsächlich ausgeübt werden können. Das setzt aber voraus, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit nicht gilt.

Schließlich gilt steuerlich in den Umwandlungsbilanzen zwingend das Prinzip der Wertverknüpfung. Der übernehmende Rechtsträger ist daher an die Wertansätze des übertragenden Rechtsträgers gebunden. Handelsrechtlich besteht eine solche Wertverknüpfung gerade nicht. Die Geltung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes würde damit bedeuten, dass das handelsrechtliche Wahlrecht für die Übernahmebilanz in § 24 UmwG (vgl. Rz. 8) immer im Sinne einer Weiterführung der Buchwerte des übertragenden Rechtsträgers auszuüben wäre. Dies würde dieses Wahlrecht gegenstandslos machen. Es kann auch insoweit nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber ein gegenstands- und damit sinnloses Wahlrecht schaffen wollte. Die Alternative wäre, den steuerlichen Grundsatz der Wertverknüpfung aufzugeben. Angesichts der eindeutigen steuerlichen Regelungen kann dies jedoch nicht angenommen werden.

 

Rz. 13

Die handelsrechtliche Regelung ist damit inkompatibel mit der steuerrechtlichen Einräumung der Wahlrechte und dem steuerrechtlichen Prinzip der Wertverknüpfung. Gälte der Grundsatz der Maßgeblichkeit, würde entweder die steuerrechtliche oder die handelsrechtliche Regelung ins Leere gehen. Beide Regelungen sind nur sinnvoll, wenn man annimmt, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit für Umwandlungsbilanzen nicht gilt[3].

Ebenso hat die Rechtsprechung entschieden[4] Der Gesetzgeber habe ein steuerliches Wahlrecht eingeräumt. Daraus müsse geschlossen werden, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit insoweit nicht gelte; andernfalls sei die Wahlrechtseinräumung gegenstandslos.

Der Umwandlungssteuererlass[5] versucht, die Problematik durch die Bestimmung zu lösen, dass die Wertansätze auch in der Steuerbilanz des übernehmenden Rechtsträgers auf den nächstfolgenden Bilanzstichtag aufzustocken si...

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