Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung bei Doppelzahlung von Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

  • 1) Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind auch die Lebenssachverhalte, die die Zuständigkeit einer Familienkasse für die Festsetzung von Kindergeld begründen.
  • 2) Die nachträglich erlangte Kenntnis über die Festsetzung und Zahlung von Kindergeld auch durch eine andere - hierfür zuständige - Familienkasse berechtigt zur Aufhebung der Festsetzung durch die unzuständige Familienkasse gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, da nach Erlangung der Kenntnis des Sachverhalts deren Kindergeldfestsetzung auf Grund des Monatsprinzips des § 66 Abs. 2 EStG jederzeit hätte aufgehoben werden können und müssen.
  • 3) Eine Kindergeldfestsetzung kann nach § 174 Abs. 2 AO aufgehoben werden, wenn der Kindergeldberechtigte durch irreführende und unvollständige Angaben die doppelte Festsetzung und Zahlung von Kindergeld durch zwei Familienkassen verursacht hat.
  • 4) Wer durch irreführende Angaben und die Stellung von Anträgen bei verschiedenen Familienkassen die doppelte Festsetzung und Zahlung von Kindergeld erreicht, erfüllt den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
  • 5) Wer die für ihn erkennbare doppelte Zahlung von Kindergeld nicht den beteiligten Familienkassen anzeigt, verletzt die aus § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO und aus § 68 Abs. 1 EStG resultierenden Pflichten und erfüllt den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.
 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, § 174 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2; EStG § 64 Abs. 1, § 66 Abs. 2, § 68 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 72 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Doppelzahlung von Kindergeld an den Kläger im Zeitraum 1999 - 2003 als Steuerhinterziehung des Klägers beurteilt werden kann.

Der Kläger war als Beamter bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Nach seinen Angaben ist er seit 1997 als Beamter beurlaubt und als Hauptlokführer bei der DB-AG nichtselbständig tätig. Während die laufenden Gehaltszahlungen von der DB-AG vorgenommen wurden, blieb das durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl I 1992, 2378) als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes geschaffene Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Mitte in Frankfurt/Main, als Dienstherr des Klägers in seiner Stellung als beurlaubter Beamter für die Familienleistungen und für die Zahlung von Sonderzuwendungen zuständig.

Am 5. Januar 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten für seine am 27. Dezember 1997 geborene Tochter T Kindergeld. In dem Antrag erklärte er, dass er von 1980 "bis laufend" im öffentlichen Dienst tätig gewesen sei. Hierzu gab er an, dass sein Dienstherr/Arbeitgeber die DB-AG in Frankfurt/Main sei und dass er dort unter der Personalnummer 6-... geführt werde. Die weiteren Fragen in dem Antragsformular, ob der Kläger bei einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber der Privatwirtschaft tätig sei und ob dieser das Kindergeld an ihn auszahle, beantwortete er durch Ankreuzen der entsprechenden Felder mit "ja" (Bl. 1 Kindergeldakte). Am 9. Januar 1998 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Kindergeldbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber zur Auszahlung des Kindergelds für die Monate Januar - Dezember 1998 (Bl. 50 Kindergeldakte). Mit Verfügung vom 20. Januar 1998 bewilligte die Beklagte Kindergeld ab Dezember 1997 zur Zahlung durch den Arbeitgeber (Bl. 4 Kindergeldakte). Eine entsprechende Bescheinigung für den Arbeitgeber wurde erstellt.

Am 23. Januar 1998 reichte der Kläger beim Bundeseisenbahnvermögen einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld ein. In dem in der Kindergeldakte des Bundeseisenbahnvermögens (Kindergeldakte BEV) abgehefteten Antrag ist hinter der Frage, ob während der letzten 6 Monate vor Einreichung dieses Antrags Kindergeld bezogen oder beantragt worden sei, das Feld "nein" angekreuzt (Bl. 1, 2 Kindergeldakte BEV "Kindergeld"). Dem Antrag war eine Geburtsurkunde beigefügt; die von der Beklagten ausgefertigte Arbeitgeberbescheinigung ist in der Kindergeldakte BEV nicht enthalten. In der Bezügemitteilung 3/98 vom 18. Februar 1998 wies das Bundeseisenbahnvermögen Kindergeldzahlungen für die Monate Dezember 1997 - Februar 1998 aus, zugleich erfolgte der Hinweis, dass für das Kind T Kindergeld von 220,-- DM bis zum 31. Dezember 2015 festgesetzt sei. Der Kläger wurde auf seine Pflicht hingewiesen, Änderungen der für die Kindergeldfestsetzung maßgeblichen Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen. In der Folgezeit erstellte das Bundeseisenbahnvermögen bis einschließlich Juni 2006 monatlich Mitteilungen über den Bezug von Kindergeld, danach wurden Bezügemitteilungen nur noch erstellt, wenn sich Änderungen ergaben. Auf den Inhalt der Bezügemitteilungen (Kindergeldakte BEV "Bezügemitteilungen") wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 20. November 1998 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er derzeit von seinem Arbeitgeber Kindergeld erhalte. Ab Januar 1999 werde die Familienkasse des Arbeitsamts die Auszahlungen übernehmen. Hierzu wurde der Kläger um Mitte...

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