Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen einer Organschaft, Frage der organisatorischen Eingliederung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage der umsatzsteuerlichen Organschaft beurteilt sich nach dem tatsächlichen Vorhandensein der Eingliederungsmerkmale und nicht nach der Rechtsauffassung der am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten. Nicht ausreichend für eine organisatorische Eingliederung ist nach der neueren BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

2. Die an die Rechtsvorgängerin der Stpfl. bekanntgegebenen Bescheide können nicht dergestalt ausgelegt werden, dass in Wirklichkeit die Stpfl. gemeint war. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das FA die vorgenannten Bescheide und die Einspruchsentscheidung der Stpfl. bekanntgeben wollte und die Stpfl. dies bei sachgerechter Auslegung der Verwaltungsakte auch erkennen konnte.

 

Normenkette

AO § 119 Abs. 1; MwStSystRL Art. 11 Abs. 1; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Verfahrensrechtlich streitig ist, ob an die Rechtsvorgängerin der Klägerin adressierte Bescheide und die Einspruchsentscheidung wirksam waren und wie eine weitere Klage gegen eine weitere Einspruchsentscheidung, mit der der Adressierungsmangel berichtigt wurde, zu beurteilen ist.

Materiell-rechtlich streitig ist, ob für die Jahre 2010 bis 2013 (Streitjahre) eine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag, bei der die Rechtsvorgängerin der Klägerin Organträgerin war.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war in den Streitjahren als GmbH & Co KG verfasst. Sie wurde vertreten durch ihre Komplementärin, die C GmbH (im Folgenden: C GmbH). Geschäftsführerin der C GmbH war in allen Streitjahren Frau UT und in der Zeit 04.12.2007 bis 05.06.2013 (Eintragung im Handelsregister) Herr LT. Beim Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer wurde die C GmbH durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Kommanditisten der Rechtsvorgängerin der Klägerin waren LT (nominal 102.400 €, 40%), UT (nominal 102.400 €, 40 %) und JT (nominal 51.200 €, 20 %).

§ 5 des für die Streitjahre geltenden Gesellschaftsvertrags der Rechtsvorgängerin der Klägerin lautete auszugsweise wie folgt (Stehordner 1/3, Bl. 34ff):

„Geschäftsführung und Vertretung

(1) Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft obliegt der persönlich haftenden Gesellschafterin, der C GmbH mit dem Sitz in M, soweit sich aus § 5 Ziff. (8) nichts anderes ergibt. Die persönlich haftende Gesellschafterin übt die Geschäftsführung und Vertretung durch ihre satzungsgemäß bestellten Organe aus.

(2)…

(3)…

(4)…

(5) Außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung sind nur bei vorheriger Zustimmung des Beirats zulässig, sofern es nicht nach Maßgabe dieses Vertrags der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung, die der vorherigen Zustimmung des Beirats bedürfen, sind insbesondere folgende Maßnahmen:

a) …

u) …

(10) Der Beirat ist berechtigt, der persönlich haftenden Gesellschafterin Weisungen zu erteilen.”

In § 12 des Gesellschaftsvertrags der Rechtsvorgängerin der Klägerin (Stehordner Bd. 1/3, Bl. 46ff) waren Regelungen über die Wahl, Zusammensetzung und Aufgaben des Beirats der Klägerin auszugsweise wie folgt geregelt:

§ 12 Ziff. (2):

„ Der Beirat besteht aus drei Mitgliedern.”

§ 12 Ziff. (3):

„ Die Mitglieder des Beirats werden vorbehaltlich § 12 Ziff. (4) [Anm.: im vorliegenden Gesellschaftsvertrag entfallen] von der Gesellschaftsversammlung mit allen in der Gesellschaft vorhandenen Stimmen gewählt.

Kommt ein wirksamer einstimmiger Beschluss über die Wahl der Beiratsmitglieder nicht zustande, so gilt Folgendes:

(i) Sofern die Gesellschaft zwei Kommanditisten hat, wählt und bestellt jeder Kommanditist ein Beiratsmitglied. Das dritte Beiratsmitglied wird von der Gesellschafterversammlung mit der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen gewählt.

(ii) Sofern die Gesellschaft mehr als zwei Kommanditisten hat, steht jedem Kommanditisten, der zu mindestens 10 % am Festkapital der Gesellschaft beteiligt ist, das Recht zu, ein Mitglied in den Beirat zu entsenden. Ein weiteres Beiratsmitglied wird von der Gesellschafterversammlung mit der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen gewählt. Gegebenenfalls erhöht sich dadurch die Anzahl der Mitglieder des Beirates gemäß § 12 Ziff. (2) entsprechend.”

§ 12 Ziff. (11):

„Der Beirat hat außer den ihm in diesem Vertrag einzeln zugewiesenen Obliegenheiten die Aufgabe,

  1. die Geschäftsführung zu beraten und zu überwachen;
  2. bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsführern untereinander über beabsichtigte Maßnahmen zu vermitteln und gegebenenfalls zu entscheiden;
  3. bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern zu vermitteln;
  4. der Beirat ist berechtigt, über die in § 5 Ziff. (4) gena...

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