Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsatz bei Nichtangabe von Zinsen aus abgezinstem Sparbrief. Einkommensteuer 1989

 

Leitsatz (amtlich)

Den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, wer laienhaft erkennen kann, dass Zinseinkünfte eine Besteuerung auslösen. Dies gilt auch für Fälle, in denen – wie bei einem abgezinsten Sparbrief – die Zinserträge zusammengeballt am Ende der Laufzeit zufließen.

 

Normenkette

AO 1977 § 169 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1989 vom 15. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2000 wird die Einkommensteuer 1989 auf … Euro (entspricht … DM) festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1989 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt wurden. Der Kläger ist seit einem Arbeitsunfall … schwerstbehindert und erhält eine Dauerrente. Er ist nicht mehr imstande, sich selbst zu versorgen. Seine Pflege hat die Klägerin übernommen. Außerdem bewirtschaftete sie einen kleineren landwirtschaftlichen Familienbetrieb.

Die Eheleute bezogen im Streitjahr 1989 u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierzu reichten sie im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 17. September 2001 zwei Bescheinigungen der X-Bank ein, auf die gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verwiesen wird. Daraus ergeben sich folgende Einnahmen:

Girokonto Nr. …

10,70 DM

Sparkonto Nr. …

187,07 DM

Festgeldkonto Nr. …

1.099,73 DM

Geschäftskonto Nr. …

21,00 DM

Zwischensumme

1.318,50 DM

Girokonto Nr. …

95,31 DM

Sparkonto Nr. …

431,34 DM

Abgezinster Sparbrief Nr. …

(Laufzeit 6. Februar 1985 bis 6. Februar 1989)

40.081,50 DM

Wachstumszertifikat Nr. …

764,18 DM

Wachstumszertifikat Nr. …

600,60 DM

Wertpapiererträge Nr. …

3.510,97 DM

Zwischensumme

45.483,90 DM

(In der Aufstellung irrtümlich

46.564,07 DM)

Das ergibt einen Gesamtbetrag von (45.483,90 DM + 1.318,50 DM =) 46.802,40 DM.

Im August 1992 transferierten die Kläger einen Teil ihres Vermögens nach Luxemburg.

Ursprünglich wurden die Kläger vom Beklagten (das Finanzamt – FA –) nicht ausdrücklich zur Abgabe von ESt-Erklärungen für die Jahre 1988 bis 1997 aufgefordert. Das geschah erstmals im Schreiben des FA vom 13. Januar 1999 hinsichtlich der ESt-Erklärungen für die Jahre 1988 bis 1997. Die ursprünglich nicht steuerlich beratenen Kläger wandten sich nunmehr an ihren Prozessbevollmächtigten, der für den Zeitraum 1988 bis 1997 Steuererklärungen erstellte und am 25. Februar 1999 beim FA einreichte. Aus den eingereichten Steuererklärungen, die das FA den Veranlagungen zugrunde legte, ergaben sich folgende Beträge:

Veranlagungszeitraum

Einkünfte aus Kapitalvermögen

zu versteuerndes Einkommen

ESt

1989

46.482 DM

51.760 DM

9.756 DM

1990

4.067 DM

338 DM

0 DM

1991

10.686 DM

7.744 DM

0 DM

1992

19.703 DM

17.017 DM

1.088 DM

1993

3.128 DM

296 DM

0 DM

1994

0 DM

2.109 DM

0 DM

1995

0 DM

2.109 DM

0 DM

1996

0 DM

3.378 DM

0 DM

1997

0 DM

5.964 DM

0 DM

Die angegebenen Einnahmen aus Kapitalvermögen für 1989 wurden mit 1.318 DM dem Kläger und mit 46.564 DM der Klägerin zugerechnet.

Das FA führte im ESt-Bescheid für 1989 vom 15. April 1999 auf Grund dieser Angaben folgende Berechnung durch:

Ehemann

Ehefrau

Einnahmen aus Kapitalvermögen

1.318 DM

46.564 DM

ab Werbungskosten-Pauschbetrag

6 DM

194 DM

Sparerfreibetrag

600 DM

600 DM

712 DM

45.770 DM

Mit Schriftsatz vom 23. April 1999 legten die Kläger Einspruch u. a. gegen den ESt-Bescheid für 1989 ein. U. a. diesen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17. November 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Kläger hätten sich einer Steuerhinterziehung (§ 370 der AbgabenordnungAO –) schuldig gemacht. Deshalb greife die verlängerte Festsetzungsfrist von 10 Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) durch. Die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 1989 habe mit Ablauf des Jahres 1992 zu laufen begonnen. Die erstmalige ESt-Festsetzung für 1989 mit Bescheid vom 15. April 1999 sei deshalb innerhalb der gesetzlichen Festsetzungsfrist erfolgt.

Hiergegen wenden die Kläger sich mit der vorliegenden Klage. Sie sind der Auffassung, ihnen könne kein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden. Seit dem Arbeitsunfall des Ehemannes sei die Klägerin allein verantwortlich für den landwirtschaftlichen Betrieb, den Haushalt der Familie sowie die Pflege ihres Ehemanns. Auch für die Geldangelegenheiten der Familie sei die Klägerin zuständig gewesen. Sie sei sich nicht bewusst gewesen, dass bei einem abgezinsten Sparzertifikat die aufgelaufenen Zinsen für die gesamte Laufzeit mit der Fälligkeit des Zertifikats im letzten Jahr steuerlich gesehen in voller Höhe einmalig zu erfassen seien. Sie sei davon ausgegangen, dass sie aufgrund ihres durchschnittlichen Einkommens von sich aus keine Steuererklärungen abzugeben habe. Auf Grund ihrer Ausbildung und gesellschaftlichen Stellung sei es durchaus glaubwürdig, dass sie (die Klägerin) über die steuerliche Handhabung von abgezinsten Sparbriefen nicht Bescheid gewusst habe. Es könne...

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