Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrauensschutz im Rahmen einer mit der Steuerfahndungsstelle getroffenen Vereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vertrauensschutz aus einer im Rahmen eines Strafverfahrens getroffenen Vereinbarung ist nur bei Mitwirkung eines für die Steuerfestsetzung befugten Amtsträgers möglich.

2.Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 76 Abs. 1 FGO wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt.

3. Die Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für die Verlängerung einer Ausschlussfrist obliegt dem Antragsteller im Rahmen einer gesteigerten Mitwirkungspflicht.

4. Erhebliche Gründe, die eine Vertagung erforderlich machen würden liegen nicht vor, wenn kein Interesse des Klägers erkennbar ist, den Prozess inhaltlich weiterzubringen.

 

Normenkette

FGO § 54 Abs. 2, § 76 Abs. 1, § 79b; ZPO § 227

 

Tatbestand

I.

Streitig sind für die Jahre 1985 bis 1989 die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb und für die Jahre 1990 bis 1992 die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide datieren jeweils vom 8. August 1996, ändern jeweils frühere Einkommensteuerbescheide und beruhen im Wesentlichen auf den Feststellungen des Finanzamtes München I – Steuerfahndungsstelle – im Bericht vom 5. März 1996 über die Fahndungsprüfung beim Kläger.

Der Kläger wurde ursprünglich getrennt veranlagt. Im Rahmen der Fahndungsprüfung beantragten der Kläger und seine Ehefrau Zusammenveranlagung für alle Streitjahre.

Der Kläger betrieb zunächst als Einzelunternehmen einen Groß- und Einzelhandel mit Textilien und Schuhen. Das Gewerbe wurde später um den Handel mit Lederbekleidung erweitert.

Ab 1990 wurde das Einzelunternehmen von der Firma XY GmbH (GmbH), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer seit Gründung am 20. Dezember 1989 der Kläger war, erworben.

Die Änderungsbescheide vom 8. August 1996 setzen die Einkommensteuer wie folgt fest:

Jahr

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Einkünfte aus Kapitalvermögen

zu versteuerndes Einkommen

festzusetzende Einkommensteuer

1985

80.510

./.

79.235

20.686

1986

240.647

./.

229.509

95.848

1987

160.940

./.

148.073

52.684

1988

53.498

./.

42.883

7.434

1989

131.802

./.

119.702

35.012

1990

./.

275.277

318.393

123.058

1991

./.

480.895

545.396

243.320

1992

./.

238.515

304.626

115.732

Die gegen die Änderungsbescheide vom 8. August 1996 eingelegten Einsprüche vom 10. September 1996 wurden vor allem in Hinblick auf das Steuerstrafverfahren nicht näher begründet.

Mit Einspruchsentscheidung des Beklagten (dem Finanzamt – FA –) vom 17. Januar 1997 wurde

  • die Einkommensteuer für 1985 bis 1988 hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen und der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen
  • die Einkommensteuer 1989 hinsichtlich der Höhe der zumutbaren Belastung, der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen und der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen

vorläufig festgesetzt. Im Übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Bei einer Überprüfung der Verwaltungsakte von Amts wegen hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Änderung ergeben. Auch nach Rücksprache mit den Prüfern der Steuerfahndung bestünde keine Veranlassung, von den zutreffenden Prüfungsfeststellungen abzuweichen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 12. Februar 1997.

Mit Anordnung vom 12. November 1997 wurde der Kläger aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen und die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlte.

Der Kläger wurden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach freier Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, und die Verspätung durch den Kläger nicht genügend entschuldigt wird. Es wurde eine Ausschlussfrist bis 10. Januar 1998, ein Samstag, gesetzt.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1998, dem Nachtbriefkasten des Finanzgerichts am 13. Januar 1998 aus dem Behältnis „vor 24 Uhr” entnommen, wurden konkrete Anträge gestellt. Als Begründung wurden bestimmte Annahmen im Fahndungsbericht als unzutreffend bezeichnet und pauschal bestritten. Ausgeführt wurde, dass eine konkrete Widerlegung der Ansätze des Fahndungsprüfers ohne Akteneinsicht in die Strafakten nicht möglich sei. Im Rahmen des Steuerstrafverfahrens habe man sich mit dem Finanzamt München I – Steuerfahndungsstelle – pauschal auf eine Sachbehandlung dahingehend geeinigt, dass die Höhe der Steuernachholungen auf alle nachzuentrichtenden Steuern und steuerlicher Nebenleistungen (auch Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer) 1 Million DM nicht übersteigen solle. Zwar sei keine formwirksame, schriftlich abgeschlossene „tatsächliche Verständigung” mit dem Sachgebietsleiter des Veranlagungsfinanzamtes zustande gekommen, gleichwohl bestehe für den Kläger ein Vertrauensschutz im Rahmen der oben g...

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