Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzüberschreitender Informationsaustausch mit der Schweiz nach dem FKAustG und Speicherung von Vermögensbeständen ausländischer Konten und Depots

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Speicherung und Weiterverarbeitung von aus der Schweiz auf Grundlage des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes erhaltenen Konto- bzw. Depotdaten durch das Bundeszentralamt für Steuern, insbesondere der Angaben zu den Konten- bzw. Vermögensbeständen, verstößt weder gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung noch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch durch Mitteilung von Vermögensbeständen und die Verarbeitung entsprechender Daten dienen der Bekämpfung der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung und verfolgen damit das verfassungsrechtlich legitime Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern, wodurch ein Grundrechtseingriff jedenfalls gerechtfertigt ist.

2. Vermögensbestandsdaten bzgl. ausländischer Konten können – auch nachdem in Deutschland keine Vermögensteuer mehr erhoben wird – für die Besteuerung relevant sein, da bspw. bei Schenkungen und Erbschaften auch eine Vermögenssubstanz besteuert wird bzw. Vermögensbestände Rückschlüsse auf erzielte Einkünfte zulassen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; FKAustG § 2 Abs. 2 Nr. 4, § 5 Abs. 3; FVG § 5 Nr. 5b; DSGVO Art. 17; GG Art. 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.01.2024; Aktenzeichen IX R 36/21)

BFH (Aktenzeichen II R 46/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte die aus der Schweiz erhaltenen Angaben über Vermögensbestände der Kläger auf einem Schweizer Konto sowie einem Schweizer Depot speichern und verarbeiten darf oder ob er die entsprechenden Daten löschen muss.

Die Kläger führen gemeinsam ein Konto mit Depot in der Schweiz und erzielten hieraus in der Vergangenheit Einkünfte, die unter Anrechnung der Schweizerischen Verrechnungssteuer in Deutschland versteuert wurden.

Die Kontenstände wurden auf Basis des Gesetzes zur mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 zwischen den Schweizer Behörden und dem Beklagten im Wege des automatisierten Austausches weitergeleitet und vom Beklagten bearbeitet und gespeichert.

Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die Speicherung der reinen Vermögensdaten verfassungswidrig sei, da in Deutschland keine Vermögenssteuer existiere und daher kein Grund für die Speicherung der Vermögensangaben bestehe. Für die Ermittlung der konkreten Steuerlast sei der Vermögenswert an sich unerheblich und die Erfassung nicht notwendig.

Am 23.5.2019 wandte sich der Kläger an das Bundesministerium der Finanzen und teilte mit, dass auf Basis des Abkommens über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen vom 29.10.2014 für das Jahr 2018 durch die Schweizer Behörden Auskünfte erteilt worden seien. Hierin sei die Angabe des Gesamtsaldos von Verwahrkonten enthalten gewesen. Diese Angabe sei für eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Besteuerung in Deutschland nicht notwendig, weshalb er beantrage, die erhaltene Auskunft zu löschen.

Auf dieses Schreiben antwortete der Beklagte am 17.07.2019 als nach § 5 Nr. 5b FVG zuständige Behörde, dass im Rahmen der internationalen Vereinbarung über den automatischen Austausch von Finanzkonteninformationen (MCAA) festgelegt worden sei, welche Daten im Einzelnen an die am Austausch teilnehmenden Staaten zu übermitteln seien. Hiervon seien auch Kontensalden erfasst. Das MCAA sei am 21.12.2015 durch das Gesetz zu mehrseitigen Vereinbarung vom 29.10.2014 in nationales Recht umgesetzt worden. Ergänzend hierzu sei das Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (FKAustG) erlassen worden, welches in § 5 klarstellende Regelungen zu den Aufgaben des Beklagten, insbesondere zur Speicherung der Daten sowie zum Verwendungszweck enthalte. Vor diesem Hintergrund würden die aus der Schweiz empfangenen Daten rechtmäßig gespeichert und genutzt. Für das Jahr 2018 sei die Meldung im Übrigen erst im September 2019 erfolgt.

Mit Schreiben vom 02.09.2019 führten die Kläger daraufhin gegenüber dem Beklagten aus, dass die Vermögensbesteuerung in Deutschland zum 31.12.1996 ausgelaufen sei. Seit diesem Zeitpunkt bestehe kein Grund dafür, Angaben über die Vermögenshöhe von Steuerpflichtigen zu erheben und zu verarbeiten. Das Vorgehen des Beklagten verstoße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei der Verarbeitung und Speicherung von Kontensalden bei Schweizer Banken seien höchstpersönliche, sensible und vertrauliche Daten betroffen. Es bestehe kein überwiegendes Allgemeininteresse an der Verarbeitung und Speicherung dieser Daten, da nicht ersichtlich sei, welchen Vorteil der Staat aus diesen Daten ziehen könne. Die gesetzlichen Regelungen, die die Verarbeitung und Speicherung der Daten zuließen, verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deutsche Steuerzahler mit aussc...

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