Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung von vermögenswirksamen Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einnahmen eines Kindes umfassen auch den Anteil des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen.

Die Ausgestaltung des Jahresgrenzbetrages als Freigrenze ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 2, § 32 Abs. 4 S. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Kindergeld für die Monate Januar bis Dezember 2007 wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrags zu versagen war.

Die im März 1982 geborene Tochter L des Klägers befand sich während des ganzen Jahres 2007 in Ausbildung zur Krankenpflegerin/Krankenschwester. Aus einer im Dezember 2006 eingegangenen Ausbildungsbescheinigung ergab sich keine Überschreitung des Jahresgrenzbetrags (Prognoseentscheidung vom 14. Dezember 2006, Kindergeld-Akte, Bl. 93).

Im Januar 2008 ging eine weitere Ausbildungsbescheinigung bei der Beklagten ein, aus der sich eine Lohnerhöhung und daraus resultierend ein Überschreiten des Jahresgrenzbetrags von 7.680 EUR ergab (Kindergeld-Akte, Bl. 95, 97, 108: Die Einnahmen von L lt. Jahreslohnsteuerbescheinigung belaufen sich auf 11.041 EUR, von denen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 2.368 EUR und des Arbeitnehmerpauschbetrags 7.753 EUR verbleiben). Deshalb hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für L mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Februar 2008 auf der Grundlage von § 70 Abs. 4 EStG auf und forderte das nach ihrer Ansicht für die Monate Januar bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld i.H.v. 1.848 EUR zurück (GA Kindergeld-Akte, Bl. 99).

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kläger geltend, in den Bruttoeinnahmen sei auch der Anteil des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen von monatlich 13,30 EUR enthalten, die der Tochter des Klägers nicht zur Verfügung stünden. Deshalb sei der Betrag von 7.753 EUR um 160 EUR zu mindern und der Jahresgrenzbetrag mithin nicht überschritten. Aber selbst wenn man dem nicht folge, sei der Jahresgrenzbetrag nur um 73 EUR überschritten. Dies könne nicht zu einer Rückforderung von 1.848 EUR Kindergeld führen, weil eine solche Fallbeil-Wirkung verfassungswidrig sei (Hinweis auf das Urteil des FG Niedersachsen vom 23. Februar 2006 1 K 76/04).

Der Kläger beantragt,

sowohl den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 22. Februar 2008 als auch die Einspruchsentscheidung vom 15. April 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansicht fest und verweist auf das BFH-Urteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, in welchem die Verfassungsmäßigkeit des Jahresgrenzbetrags bestätigt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Die Einnahmen des Kindes waren nicht auch um den Anteil des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen zu kürzen, weil die Einbehaltung und die unmittelbare Weiterleitung dieses Teils des Arbeitslohns eine Einkommensverwendung durch den Arbeitnehmer darstellen.

a) Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld im Streitjahr 2007 nur dann, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR hat.

b) Der Begriff der Einkünfte ist in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definiert als Gewinn bzw. als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Nach dem BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) kann der Begriff „Einkünfte” daher nicht als „zu versteuerndes Einkommen” ausgelegt werden. Die vom Arbeitslohn des Kindes einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge, die einkommensteuerrechtlich den Sonderausgaben zuzuordnen sind, dürfen deshalb nicht von den Einkünften abgesetzt werden.

Ebenso hat das BVerfG a.a.O. allerdings entschieden, dass die Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge als Einkünfte des Kindes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil Eltern mit sozialversicherungspflichtigen Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nur wegen der als Einkünfte behandelten Sozialversicherungsbeiträge überschritten, gegenüber Eltern mit nicht sozialversicherungspflichtigen Kindern benachteiligt seien, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überstiegen. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist deshalb verfassungskonform auszulegen. Der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind” ist nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes zu beziehen. Nicht einzubeziehen sind daher jedenfalls diejenigen Beträge, die – wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge – von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten können. Offen gelasse...

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