Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobes Verschulden eines Steuerberaters bei unterlassener Geltendmachung eines Auflösungsverlustes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerberater handelt grob schuldhaft, wenn er in Kenntnis von der Entstehung eines Auflösungsverlustes iSd § 17 Abs. 4 EStG bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Stand des Insolvenzverfahrens nicht ermittelt.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Veranlagungszeitraum 2015 entstanden ist und ob im Veranlagungszeitraum 2016 Schuldzinsen einkünftemindernd zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin wurde in den Streitjahren 2015 und 2016 zusammen mit ihrem am ... 2018 verstorbenen Ehemann, dessen Rechtsnachfolgerin sie ist, zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann hielt seit 1999 50 % der Anteile an der A GmbH (A-GmbH) mit Sitz in Hamburg. Die übrigen Anteile der A-GmbH hielt der Sohn der Eheleute. Das auf den Ehemann - voll eingezahlte - entfallende Stammkapital betrug ... €.

Die Eheleute wurden zumindest seit 2011 von dem Prozessbevollmächtigten, einem Steuerberater, steuerlich beraten.

Im Jahr 1999 gewährten der Ehemann und der Sohn der A-GmbH jeweils Darlehen in Höhe von ... DM, wobei diese Mittel aus von dem Ehemann und von dem Sohn bei der B-Bank aufgenommenen (Refinanzierungs-)Darlehen stammten. Das Darlehen an die A-GmbH wurde weder verzinst noch getilgt. Für den Fall der Insolvenz der A-GmbH verzichtete der Ehemann (ebenso wie der Sohn) auf das Darlehen. Im Jahr 2002 wurden die Darlehen bei der A-GmbH erfolgswirksam in Eigenkapital umgewandelt.

In 2010 wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Insolvenzgericht, vom 13. Dezember 2010 wurde in dem Insolvenzeröffnungsverfahren zur Aufklärung des Sachverhalts ein schriftliches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Nachdem mit Beschluss vom 21. Januar 2011 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war, wurde mit Beschluss vom 16. Juni 2011 über das Vermögen der A-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurden am ... 2011 und ... 2011 in das Handelsregister eingetragen. Die Verfahrenseröffnung wurde auf der Internetseite www.handelsregister.de unter "Veröffentlichungen" am ... 2011 bekanntgemacht. Mit Beschluss vom 7. Juli 2015 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung (§ 200 der Insolvenzordnung -InsO-) aufgehoben. Die Aufhebung wurde am ... 2015 auf der Internetseite www.handelsregister.de unter "Veröffentlichungen" veröffentlicht und am ... 2015 ins Handelsregister eingetragen. Die Löschung der Gesellschaft gemäß § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wurde am ... 2017 ins Handelsregister eingetragen und auf der Internetseite www.handelsregister.de unter "Veröffentlichungen" am ... 2017 bekanntgemacht.

Mit Schreiben vom 29. August 2012 teilte der Steuerberater der Eheleute dem Beklagten mit, dass in 2010 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt worden sei; sämtliche Stammeinlagen seien verloren. Mit einer Änderung des Verlustes sei nicht mehr zu rechnen, eine Verlustermittlung werde er nachreichen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 reichte der Steuerberater dem Beklagten den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13. Dezember 2010 ein, ohne auf einen etwaigen Auflösungsverlust näher einzugehen bzw. diesen zu beziffern.

In ihrer am 23. Februar 2017 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2015 erklärten die Eheleute jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Beteiligung sowie Renteneinkünfte. Einen Verlust aus der Auflösung der A-GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG machten sie nicht geltend.

Mit Bescheid vom 20. März 2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2015 auf ... € fest. Gegen den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid legten die Eheleute keinen Einspruch ein.

Ebenfalls unter dem 20. März 2017 setzte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2015 für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf ... € fest. Auch gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.

Mit Schreiben vom 5. September 2017 wies der Beklagte im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Steuererklärung des Sohnes für 2015 den Steuerberater der Eheleute, der auch die steuerlichen Angelegenheiten des Sohnes betreute, darauf hin, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH durch Beschluss vom 7. Juli 2015 aufgehoben worden sei.

Daraufhin beantragten die Eheleute mit Schreiben vom 15. September 2017, den Einkommensteuerbescheid für 2015 durch Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von ... € (Stammkapital in Höhe von ... € zzgl. Gesellschafte...

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