Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhr von Goldschmuck aus der Türkei: Zollbefreiung als Übersiedlungsgut oder Heiratsgut

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Zollbefreiung als Heiratsgut oder Übersiedlungsgut wird nur gewährt, wenn die Waren auf Grund einer Zollanmeldung in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden.
  2. Werden die Waren vorschriftswidrig eingeführt, schließt dies die an sich gegebene Zollfreiheit aus, wenn dem Verhalten des Zollschuldners bei Anlegung eines objektivierten Maßstabs offensichtliche Fahrlässigkeit zu Grunde liegt.
  3. Bei der Verpflichtung, Goldschmuck bei der Einreise aus der Türkei im Rahmen der Familienzusammenführung als Heiratsgut oder Übersiedlungsgut zum zollrechtlich freien Verkehr anzumelden, handelt es sich um einfache Vorschriften, die auch Unerfahrene bei der Einreise in die EU in Erfahrung bringen können.
 

Normenkette

ZK Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Art. 212a, 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1; UStG § 21 Abs. 2; ZKDVO Art. 230 Buchst. a, Art. 233 Abs. 1 Buchst. a 1. Anstrich, Art. 234 Abs. 2; EF-VO § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 5 Buchst. B; VO (EG) 1186/2009 Art. 7, 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 14, 15 Abs. 1 Buchst. a, b

 

Tatbestand

Die am .. .. 1994 geborene Klägerin hatte am 30.11.2011 geheiratet. Am 08.10.2012 wurde ihr ein Visum zur Familienzusammenführung erteilt.

Die Klägerin reiste zusammen mit ihren Schwiegereltern aus Istanbul kommend am 19.11.2012 über das Zollamt Flughafen des Hauptzollamts A in das Unionszollgebiet ein.

In dem von den Dreien benutzten Grünen Ausgang kontrollierten Beamte des Zollamts Flughafen deren Gepäck, in dem sich diverse neue Haushaltsgegenstände (Tischdecken, Bettdecken, Textilien, ein Hochzeitskleid) sowie vier Stangen Zigaretten zu jeweils 200 Stück befanden.

Auf Befragen nach Goldschmuck legte die Klägerin den Beamten

1) vier Goldarmreifen, 22K, Gesamtgewicht 151,20 g,

2) ein Schmuckset, 22K, bestehend aus einer Halskette und einem Paar Ohrringe, Gesamtgewicht 27,95 g

3) drei mit Steinen besetzte Goldringe, 22K, Gesamtgewicht 10,3 g

4) neun Goldarmreifen, 22K, davon einer mit Steinen besetzt, im Gesamtgewicht von 208,25 g

vor. Den Schmuck trug sie an ihrem Körper. Weiter trug sie mindestens zwei Stangen Zigaretten.

Nach Angabe ihres Schwiegervaters war ein Teil des Goldschmucks ein Geschenk zu ihrer Hochzeit gewesen, während der andere Teil schon über ein Jahr alt sei. Insgesamt sei der Goldschmuck zum ersten Mal nach Deutschland eingeführt worden.

Die Beamten beließen die Haushaltsgegenstände sowie 3 Stangen Zigaretten als Freimengen und stellten den Goldschmuck sicher.

Gegen die Klägerin wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Dazu wurde sie belehrt. Danach machte die Klägerin keine Angaben mehr.

Noch am 19.11.2012 meldete die Klägerin sich mit ihrem Wohnsitz in Deutschland an.

Auf Aufforderung des Beklagten, ihren Wohnsitzwechsel nach Deutschland nachzuweisen und weitere Angaben zu machen, teilte die Klägerin durch Prozessbevollmächtigten ihre Wohnanschrift in Deutschland mit und gab an, zur Familienzusammenführung nach Deutschland gereist zu sein. Weiter beantragte sie, die eingeführten Waren nachträglich von Einfuhrabgaben zu befreien.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 04.06.2013 nahm der Beklagte die Klägerin für 29,22 € Tabaksteuer, 502,97 € Zoll und 3.873,48 € Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Anspruch, da sie den Goldschmuck und eine Stange Zigaretten durch Benutzen des grünen Ausgangs vorschriftswidrig in das Unionszollgebiet verbracht habe. Eine Einfuhrabgabenfreiheit als Reise-, Heirats- oder Übersiedlungsgut komme nicht in Betracht, da die Waren nicht ordnungsgemäß angemeldet worden seien. Auch sei die Einfuhrabgabenschuld nicht nach Art. 212a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK – entfallen, da die Klägerin offensichtlich fahrlässig gehandelt habe.

Wegen der Abgabenberechnung wird auf diesen Bescheid verwiesen.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, den sie unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen begründete. Mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück Wegen weiterer Einzelheit wird auf den Wortlaut der Einspruchsentscheidung verwiesen.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die eingeführten Waren seien nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen vom 16.11.2009 (ABl. EU Nr. L 324/23) – VO 1186/2009 – einfuhrabgabenfrei, da sie zur Wohnsitzverlegung nach Deutschland eingeführt worden seien. Ihr sei unbekannt gewesen, dass die Waren abgabenpflichtig gewesen seien. Auch sei sie der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen und habe auch die Hinweisschilder nicht verstehen können. Zudem hätten diese keine Angaben zu Heiratsgut enthalten. Daher fehle es an einer offensichtlichen Fahrlässigkeit.

Sie sei bei der Einreise allein ihren Schwiegereltern gefolgt und habe diesen vertraut. Sie habe seiner...

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