Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken – Zwangsversteigerung als steuerpflichtiger Veräußerungsvorgang

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die für steuerpflichtige Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken bestehende Voraussetzung einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung wird im Falle der Zwangsversteigerung durch die Abgabe eines Meistgebots erfüllt.
  2. Die Abgabe eines Meistgebots ist im Falle der Zwangsversteigerung auch für die Berechnung der Veräußerungsfrist von zehn Jahren maßgebend
 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ZVG § 30a Abs. 1, § 81 Abs. 1, § 90 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Streitjahr 2019 hinsichtlich zweier Grundstücke den Tatbestand privater Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt hat.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Beklagte erließ am 20.03.2020 einen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2019. In diesem erfasste er u.a. sonstige Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften. In den Erläuterungen des Bescheides führte der Beklagte aus, dass das erste Objekt am 18.03.2009 ersteigert und am 31.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert und das zweite Objekt am 17.03.2009 ersteigert und 23.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert worden seien. Nachfolgend nahm der Beklagte eine Berechnung des Überschusses nach § 23 EStG vor, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.

Gegen den Vorauszahlungsbescheid legten die Kläger am 25.03.2020 Einspruch ein und trugen zur Begründung des Einspruchs vor:

Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 23.07.2019 IX R 28/18 fehle es bereits an einem steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach den Grundsätzen des Urteils müsse die entgeltliche Übertragung des Grundstücks vom Willen des Steuerpflichtigen getragen sein. Diese Voraussetzung sei im Fall einer Zwangsversteigerung entsprechend den Gegebenheiten bei einer Enteignung generell nicht erfüllt. Vorliegend sei es ihm - dem Kläger - aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, welche u.a. durch die bestehenden Steuerschulden bedingt seien, auch objektiv unmöglich gewesen, die Zwangsversteigerung - etwa durch die Tilgung der gesamten bestehenden Schulden - abzuwenden. Aufgrund dessen habe es an der erforderlichen Möglichkeit zu einer Einflussnahme auf die Zwangsversteigerungsverfahren gefehlt.

Ferner betrage bei beiden Grundstücken der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Veräußerung mehr als zehn Jahre. Für die Berechnung der Fristen sei auf die Zeitpunkte der jeweiligen Zuschlagbeschlüsse abzustellen. Danach sei das erste Objekt am 26.03.2009 erworben und am 29.03.2019 veräußert bzw. das zweite Objekt am 17.03.2009 erworben und am 21.03.2009 veräußert worden. Die Daten der Zuschlagbeschlüsse seien auch für den Übergang der Einnahmen und Ausgaben zugunsten und zu Lasten des Erstehers maßgeblich.

In der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus:

Die vom BFH im Urteil vom 23.07.2019 IX R 28/18 für Grundstücksenteignungen aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf Fälle der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren nicht anwendbar. Vielmehr bestätige der BFH in dem zitierten Urteil unter Rn. 21, dass eine willentliche wirtschaftliche Betätigung als Merkmal eines Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beispielsweise auch in der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren zu sehen sei. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Enteignung und einer Zwangsversteigerung liege darin, dass der bisherige Eigentümer im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens die Möglichkeit behalte, sich gegen die Zwangsversteigerung durch Tilgung der Schulden oder eine anderweitige Vereinbarung mit dem betreibenden Gläubiger zu wenden.

Zudem werde das Vorbringen des Klägers, wonach er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Zwangsversteigerungsverfahren abzuwenden, bezweifelt. Trotz bestehender Steuerschulden in nicht unerheblicher Höhe sei der Kläger in der Vergangenheit häufig in der Lage gewesen, die Zwangsversteigerungen durch Umschuldung auf andere Banken abzuwenden oder Schulden durch private Darlehensaufnahmen zu befriedigen. Hierbei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin ebenfalls über Immobilienvermögen in nicht unerheblicher Höhe verfüge. Der Kläger sei darüber hinaus Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, die ebenfalls über Immobilienvermögen verfügten. Eine Vermögensauskunft habe der Kläger bislang nicht abgegeben.

Für die Berechnung der Spekulationsfrist sei das obligatorische Rechtsgeschäft maßgeblich. Dies bedeute, dass nicht das Datum des Zuschlagbeschlusses, son...

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