Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages bei Grundstücksunternehmen – Ausschluss bei Bagatellbeteiligung eines Gewerbetreibenden und Unterschreitung des gewerbesteuerlichen Freibetrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Dient der Grundbesitz einer ausschließlich mit der Vermietung von Grundstücken befassten Genossenschaft zu einem Teil auch dem Gewerbebetrieb einer Genossin, die neben einer Wohnung auch ein Ladenlokal angemietet hat, so schließt § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG bei sachgerechter teleologischer Reduktion seiner Reichweite die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages des Grundstücksunternehmens dennoch nicht aus, wenn die Beteiligung der betroffenen Genossin unter der Bagatellgrenze von 1 % liegt und sie wegen der Unterschreitung des gewerbesteuerlichen Freibetrages keiner Gewerbesteuerbelastung ausgesetzt war.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2, 5 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2014, 2015, 2016

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.06.2022; Aktenzeichen III R 19/21)

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Genossenschaft, wendet sich mit ihrer am 27.9.2019 erhobenen Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2014 bis 2016 vom 19.2.2019 und gegen die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.2014 bis 31.12.2016 ebenfalls vom 19.2.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2019.

Streitig ist, ob die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages der Klägerin gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorzunehmen ist.

Die Klägerin war in den Streitjahren ausschließlich mit der Vermietung von Grundstücken befasst. Sie hatte deshalb Anträge auf die Kürzung ihres Gewerbeertrages nach° § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gestellt. Die Klägerin vermietete neben Wohnungen auch gewerblich genutzte Flächen. Eine ihrer gewerblichen Mieter, die Kauffrau B, hatte seit dem 16.6.2012 von der Klägerin Räume gemietet (Objekt C), in denen sie ihr Gewerbe [...] betrieb. Mit dem Gewerbe erzielte die Mieterin Gewinne unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG). Im Jahre 2014 trat sie an die Klägerin mit dem Wunsch heran, eine Wohnung für sich zu mieten. Sie wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nach ihrer Satzung Wohnungen „in erster Linie” an Genossenschaftsmitglieder vermiete. Daraufhin erwarb sie am 22.12.2014 (Datum der Zustimmung zur Beitrittserklärung) eine Geschäftsanteil 1.000 Euro, woraufhin ihr beginnend am 1.1.2015 eine Wohnung auf dem Grundstück D überlassen wurde. Es handelte sich für die Klägerin um einen Einzelfall, in dem ein gewerblicher Mieter zugleich als Genosse an ihr beteiligt war.

Die Klägerin hatte am 31.12.2016 [...] Mitglieder und in den Jahren davor ähnlich viele Mitglieder. Der Anteil der Mieterin B an der Genossenschaft, beruhend auf ihrer für 1.000 Euro erworbenen Mitgliedschaft, betrug 0,0168 % (31.12.2016).

Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre (Prüfungsbericht vom 10.12.2018, dort Tz. 2.7) wurden die angefochtenen Änderungsbescheide erlassen. Der Beklagte vertrat im Anschluss an die Betriebsprüfung, u.a. mit Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.4.2005 IV R 34/03, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2005, 576, die Auffassung, dass auch ein sog. Zwergenanteil wie im Fall der Mieterin B für die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG schädlich sei. Insbesondere das gesetzliche Merkmal des „Dienens” des Grundbesitzes für Zwecke des Gewerbebetriebes einer Genossin sei objektiv erfüllt worden.

Die Klägerin wendet ein,

dass der Genossenschaftsanteil der B allein mit der Wohnungsüberlassung in einem Zusammenhang gestanden habe. Eine Verweigerung der Mitgliedschaft wie anschließend auch der Vermietung zur Vermeidung etwaiger gewerbesteuerlicher Nachteile sei wegen des Diskriminierungsverbots nicht möglich gewesen (Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG). Der Genossenschaftsanteil habe in keiner Weise dem Gewerbe gedient und sei deshalb auch nicht als Betriebsvermögen desselben behandelt worden. Als Genossin sei die Mieterin auch keine Mitunternehmerin gewesen. Außerdem sei ihre Beteiligung derartig geringfügig, dass jegliche Einflussnahme auf den Betrieb der Klägerin ausgeschlossen gewesen sei. Es habe sich um eine einflusslose „Mini-Beteiligung” gehandelt. Überdies sei das Gewerbe ein Kleingewerbe gewesen, bei dem keine Gewerbesteuer angefallen sei, so dass der Sinn und Zweck der Einschränkung gem. °§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht gegeben sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gewerbesteuermessbetrag 2014 auf 0,00 Euro festzusetzen,

  • . den Gewerbesteuermessbetrag 2015 auf 0,00 Euro herabzusetzen,
  • den Gewerbesteuermessbetrag 2016 auf 0,00 Euro herabzusetzen,
  • den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2014 auf 11.467.592 Euro festzusetzen,
  • den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2015 auf 11.408.979 Euro festzusetzen,
  • den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2016 auf 11.340.805 Euro festzusetzen,
  • die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorve...

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