rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für Pflegekind bei Vollzeitfamilienpflege; Aufnahme in den Haushalt zu Erwerbszwecken

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auf der Grundlage der Pflegekind-Definition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des StÄndG 2003 besteht bei einer das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern ersetzenden Vollzeitfamilienpflege regelmäßig ein Kindergeldanspruch der Pflegeperson.

2. Die Haushaltsaufnahme eines – im Streitfall einzigen – Pflegekindes erfolgt nicht zu Erwerbszwecken, wenn das Pflegegeld und der Erziehungsbeitrag die durch Landesrecht festgelegten Sätze des zuständigen Jugendamts nicht übersteigen.

3. Durch die vertragliche Zwischenschaltung eines Erziehungsvereins in die Rechtsbeziehungen zwischen Jugendamt und Erziehungsstelle wandelt sich das Pflegeverhältnis nicht in einen entgeltlichen Dienstvertrag, wenn sie vornehmlich dem Zweck der Beratung und Qualitätssicherung dient.

4. Der Erziehungsbeitrag kann nicht deshalb als Dienstleistungsentgelt angesehen werden, weil er bei der Berechnung der Grundsicherung für Arbeitslose teilweise als Einkommen der Pflegeperson zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1; SGB VIII §§ 33, 39; SGB II § 20 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2003, 2004

 

Tatbestand

Der Kläger bezog Kindergeld für seine 3 leiblichen Kinder (geboren 1987, 1990 und 1992). Im April 2003 beantragte er bei der kommunalen Familienkasse seiner Beschäftigungsbehörde –im folgenden Familienkasse - zusätzlich Kindergeld für die im Mai 1997 geborene „T” –im Folgenden: „T”- als Pflegekind. Der Kläger legte Bescheinigungen des „M” Erziehungsvereins vor, wonach er und seine Ehefrau das Kind im Rahmen der Familienpflege (Vollzeitpflege) i. S. d. § 33 SGB VIII als Pflegekind seit 8. März 2003 auf unbestimmte Dauer in ihren Haushalt aufgenommen hätten; ihnen obliege die Erziehung, Betreuung und Versorgung des Kindes, das aus dem natürlichen Obhutsverhältnis zu seinen leiblichen Eltern ausgeschieden sei. Das Pflegegeld betrage monatlich 407 EUR, der Erziehungsbeitrag von grundsätzlich 195 EUR erhöhe sich bei Erziehungsstellen - wie im vorliegenden Fall - (einschließlich eines Alterssicherungsbeitrages) auf insgesamt 690,68 EUR. Der Kläger legte ferner einen Erziehungsstellenvertrag mit dem „M” Erziehungsverein sowie einen Pflegeelternausweis (§ 44 Abs. 1 SGB VIII) vor. Er erläuterte, die Zusammenarbeit mit dem Erziehungsverein ändere an der vollen Verantwortung für „T” nichts, sondern solle die hohen pädagogischen und fachlichen Anforderungen an seine Familie als Erziehungsstelle sicherstellen. Die Familie werde vom Verein regelmäßig, qualifiziert und intensiv beraten, die Teilnahme an Fortbildungskursen und Elternkreisen werde ermöglicht, die Dokumentation der Entwicklung von „T” werde durch halbjährliche Berichte unterstützt. Die Verpflichtung zur Kooperation gelte für beide Seiten zum Wohl des Kindes und begründe kein Weisungsrecht des Vereins. Die Aufnahme des Kindes sei auch nicht zu Erwerbszwecken erfolgt. Die Erziehungsstellen erhielten kein Gehalt für die pädagogische Leistung, sondern eine Aufwandsentschädigung einschließlich eines entsprechenden Alterssicherungsbeitrags.

Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldgewährung für „T” ab (Bescheid vom 13. Februar 2004). Das bisherige Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern sei nicht eindeutig beendet; sowohl der Erziehungsstellenvertrag als auch das Konzept des Landschaftsverbandes „Q” verlangten die Förderung der Kontakte des aufgenommenen Kindes mit seiner Herkunftsfamilie. Es bestehe zwischen dem Kind und der aufnehmenden Familie auch kein familienähnliches Band. Insbesondere sei das Kind zu Erwerbszwecken aufgenommen worden. Der Erziehungsbeitrag (einschließlich Beitrag für die Alterssicherung) stelle eine Entlohnung der Betreuer dar. Außerdem deute der Erziehungsvertrag darauf hin, dass der Kläger und seine Ehefrau in einem typischen Beschäftigungsverhältnis zu dem „M” Erziehungsverein stünden, dessen Weisungen sie unterworfen seien.

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und trug vor, ein familienähnliches Band bestehe, weil „T” Tag und Nacht in die Familie eingegliedert sei, betreut und erzogen werde und den leiblichen Kindern gleichgestellt sei. Zu den leiblichen Eltern bestehe kein Obhuts- und Pflegeverhältnis mehr: „T” habe vor der Aufnahme in die Familie des Klägers bereits eine wechselvolle Geschichte zwischen Betreuung, Hilfe zur Erziehung (Pflegefamilie, Kinderhaus, Tagespflege, SPFH) und Aufenthalt bei der leiblichen Mutter durchlebt. Bereits seit 1998 sei für „T” ein Vormund bestellt, weil die Mutter nicht in der Lage sei, das Kind zu betreuen und zu erziehen. Kontakte zur Mutter gebe es derzeit nicht: weder habe sich die Mutter um Kontakt zu „T” bemüht noch seien solche Besuchskontakte zur leiblichen Mutter ratsam. Das Pflegekind sei nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen, weil die Tätigkeit des Klägers bei der Stadt die wirtschaftliche Existenz der Familie sicherste...

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