Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollschuldrechtliche Haftung der Spedition für Fehleingaben im „ATLAS”-IT-Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Anmeldung zum Versandverfahren setzt voraus, dass der Anmeldung die Gestellung bei der gleichen Zollstelle vorausgeht.
  2. Wird wegen eines Eingabefehlers nach automatisierter Zollgestellung im ATLAS-System bei der elektronischen Anmeldung zur Weiterbeförderung im Versandverfahren ein anderes Zollamt als Abgangszollstelle generiert, führt dies zur Nichtigkeit der Annahme der Versandanmeldung. Dies hat zur Folge, dass die Waren durch unzulässiges Entfernen vom Verwahrungsort der zollamtlichen Überwachung entzogen werden.
  3. Art. 10 des Zollkodex ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Verstoß gegen zollrechtliche Bestimmungen die Annahme der Unwirksamkeit der Eröffnung des Versandverfahrens aufgrund schwerwiegender und offenkundiger Fehler i. S. des § 125 Abs. 1 AO ausschließt.
 

Normenkette

AO § 125 Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2; ZK Art. 10, 37, 63, 91 Abs. 1 Buchst. a, Art. 203; ZKDVO Art. 201, 340b Nr. 1, Art. 349 Abs. 1, Art. 398, 399 Buchst. b

 

Streitjahr(e)

2005

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.03.2009; Aktenzeichen VII R 17/07)

 

Tatbestand

Die Klägerin, der als Spedition Bewilligungen sowohl als Zugelassener Empfänger als auch als Zugelassener Versender erteilt worden waren, wendet sich gegen Steuerbescheide, mit denen sie für Einfuhrabgaben in Anspruch genommen wurde, die nach Auffassung des Beklagten durch unzulässiges Entfernen vom Verwahrungsort entstanden sind.

Die Klägerin gestellte im System ATLAS beim Zollamt A1 des Beklagten die folgenden drei Sendungen, die im Versandverfahren befördert worden waren:

Lfd. Nr.

Versandschein T1

Ware

Gestellung

1

A05DE... M1

Motorenteile aus China

17.01.2006 AT/B/15/001102/01/2005/2604

2

A05DE... M4

Abdeckungen für Batterien aus China

19.01.2005 AT/B/15/001420/01/2005/2604

3

A05DE... M9

Teile und Zubehörteile für Mobiltelefone aus China

20.01.2005 AT/B/15/1510/01/2005/2604

Die Waren wurden der Klägerin von der Zollstelle (automatisiert) zur vorübergehenden Verwahrung überlassen. Zugleich wurde die Klägerin von der Zollstelle auf ihre Pflichten in der vorübergehenden Verwahrung hingewiesen und aufgefordert, jeweils Zollanmeldungen bis zum 07. (lfd. Nr. 1), 08. (lfd. Nr. 2) und 09.02.2005 (lfd. Nr. 3) abzugeben.

Am 26. und 28.01.2005 meldete die Klägerin die o.a. drei Sendungen zu Versandverfahren an, mit denen die Waren weiterbefördert wurden. Bei den Anmeldungen hierzu gab die Klägerin als Abgangszollstelle durch einen Eingabefehler bei der Dateneingabe für das neue elektronische Versandverfahren (NCTS) den Beladeort mit dem Kürzel DAxx statt mit dem Kürzel DAyy ein. Dadurch generierte das System statt des Zollamts A1 des Beklagten das Zollamt B2 als Abgangszollstelle. Bei diesen Zollanmeldungen gab die Klägerin die Waren mit den Nummern der jeweils vorausgegangenen Versandverfahren an.

Der Beklagte bewertete die Vorgänge nach der Gestellung beim Zollamt A1 als Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung und nahm die Klägerin mit folgenden Steuerbescheiden für Einfuhrabgaben in Anspruch:

Lfd. Nr.

Gestellung

Steuerbescheid Datum, Gz.

Zoll

Einfuhrumsatzsteuer (EUSt)

1

17.01.2006 AT/B/15/001102/01/2005/2604

11.05.2006 Z-06242011040520052600

765,40 EUR

4.658,18 EUR

2

19.01.2005 AT/B/15/001420/01/2005/2604

12.05.2005 Z-06242011050520052600

647,21 EUR

3

20.01.2005 AT/B/15/1510/01/2005/2604

12.05.2005 Z-06242011060520052600

1.453,67 EUR

Den gegen diese Bescheide fristgerecht eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass ihrer Auffassung nach eine Zollschuld nicht entstanden sei, weil die Waren nicht unzulässigerweise vom Verwahrungsort entfernt worden seien. Ein Warentransport nach B-Stadt habe nie stattgefunden. Das vom Zollamt B2 eröffnete Versandverfahren sei ordnungsgemäß erledigt worden.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.09.2005 als unbegründet zurück, da die Waren aus der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Das Zollamt A1 habe nicht die Möglichkeit behalten, die Waren zu überwachen. Mit der Verwendung der Nummer DE009xxx für den Ort C-Stadt im Zuständigkeitsbereich des Zollamts B2 bei der Eingabe der jeweiligen Datensätze sei die Ware an einem unzutreffenden Kontrollort gestellt worden. Hiervon sei das Zollamt B2 nicht unterrichtet worden. Dadurch habe das Zollamt B2 keine Kontrollmöglichkeit gehabt. Das anschließende Versandverfahren habe seinem Zollamt A1 die Möglichkeit der Überwachung der Ware genommen.

Dagegen erhob die Klägerin beim Finanzgericht fristgerecht Klage, die sie insbesondere nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom 07.11.2006, 4 V 1202/06 A (Z, EU), wie folgt begründete:

Der Weiterversand der beim ZA A1 des Beklagten gestellten Waren habe sie nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen. Die im NCTS vorgenommene Überlassung durch das Zollamt B2 habe die vorübergehende Verwahrung beendet, Art. 73 ZK. Nachdem die Waren beim ZA A1 des Beklagten gestellt worden seien, sei e...

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