rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Zuschätzungen im Rahmen der Außenprüfung. Umsatzsteuer 1991 bis 1995

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung erfordert die „Kassensturzfähigkeit” der Aufzeichnungen. Es muss jederzeit möglich sein, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem Ist-Bestand der Geschäftskasse auf die Richtigkeit nachzuprüfen. Auch bei Ermittlung der Bareinnahmen eines Tages „Tageslosung”) durch einen sogenannten Kassenbericht ist die tägliche Feststellung des Kassenbestandes für eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung unentbehrlich. Wird dagegen der Endbestand für jedes Blatt des Kassenbuches nur rechnerisch ohne Zählung des Kasseninhalts ermittelt, ist die Kassenbuchführung nicht ordnungsgemäß.

2. Ausführungen zu den im Einzelnen festgestellten Mängeln der Buchführung und weiteren Indizien dafür, dass es sich nicht nur um bloße Formfehler, sondern auch um materielle Unrichtigkeiten gehandelt hat, sowie zur darauf fußenden Berechtigung des Außenprüfers, die Buchführung zu verwerfen und Zuschätzungen vorzunehmen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 158, 162 Abs. S. 2, §§ 145-146

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb einen Kfz-Handel mit Reparaturwerkstatt und – seit Frühjahr 1991 – einen Getränkehandel. Die in den Akten des Beklagten befindlichen Jahresabschlüsse des Klägers für 1986 bis 1996 weisen allesamt erhebliche Verluste aus.

In der Zeit von Juni 1997 bis August 1998 wurde eine Betriebsprüfung für 1991 bis 1995 durchgeführt. Der Prüfer beanstandete u.a. die Kassenführung und nahm für die einzelnen Jahre Ergänzungsschätzungen zwischen 18.645 DM und 43.120 DM vor (Tz 48 ff., 94 des Prüfungsberichtes vom 10. November 1998). Der Beklagte machte sich die Feststellungen des Prüfers zu eigen und erließ am 17. August 1999 dementsprechende Umsatzsteuerbescheide für 1991 bis 1995. Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhob der Kläger am 14. August 2000 Klage.

Er beantragt,

unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 1995, alle vom 17. August 1999 und in Form der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2000, die Umsatzsteuer wie folgt festzusetzen:

1991 auf

1.559 DM

1992 auf

4.687 DM

1993 auf

1.079 DM

1994 auf

- 2.142 DM

1995 auf

- 176 DM

Eine sachlich richtige Buchführung schließe eine Schätzung aus, selbst wenn sie formelle Fehler aufweise, denn eine formell nicht ordnungsgemäße Buchführung müsse nicht immer zugleich sachlich unrichtig sein. Nur wesentliche Mängel würden die Annahme rechtfertigen, dass die erklärten Besteuerungsgrundlagen materiell unrichtig seien, nicht jedoch kleinere Mängel des Kassenbuches. Das Finanzamt sei an formell ordnungsgemäße Aufzeichnungen gebunden, solange es nicht seinerseits die von der formellen Ordnungsmäßigkeit ausgehende Vermutung sachlicher Richtigkeit – z.B. durch eine Nachkalkulation – widerlege (Bl. 2).

5 Kassenfehlbeträge in 5 Jahren sowie eine geringe Anzahl fehlerhaft eingetragener Kassenausgaben rechtfertigten keinesfalls die Versagung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Auch das Vorliegen einer sog. Grundversion des Kassenbuches sei unerheblich, da das Original des Kassenbuches der Buchführung zugrunde gelegt worden sei. Alles andere seien Vermutungen und Spekulationen. Im übrigen würden sich aus der vorliegenden Buchhaltung (Wareneingangsbuch, Konten) teilweise vom Prüfer abweichende Rohgewinnaufschlagsätze ergeben:

1991:

18,7%

1992:

5,9%

1993:

13,1%

1994:

16,6%

1995:

16,9%

Bis auf das Jahr 1992 sei eine gewisse Kontinuität erkennbar. Die Steuerberaterin habe Aufschlagsätze i.H.v. 13%, der Prüfer i.H.v. 18,7% und der Sachbearbeiter i.H.v. 16-17% vorgeschlagen. Lediglich für 1992 sei eine Zuschätzung in Höhe von DM 25.000,– vorzunehmen (Bl. 2 ff., 23).

Nach dem Prüfungsbericht sei grundsätzlich die Rede von „Rohgewinnaufschlagsätzen”. Die Steuerberaterin spreche in ihrem Schreiben vom 18. August 1999 zwar vom „Rohgewinnsatz 1”. Bei ihrer Berechnung beziehe sie sich jedoch auf die gleichen Grundlagen wie der Prüfer. Wenn also der Wareneinsatz die Berechnungsgrundlage sei, könne nicht von „Rohgewinn 1” gesprochen werden (Bl., 22).

Im übrigen sei auf die stark abweichenden Richtsätze der früheren Gruppen Süd und West zu verweisen, die 1998 vereinheitlicht worden seien. In der Gruppe West habe der untere Rohgewinnaufschlagsatz 15%, ab 1998 18% (Süd 23%) betragen. Eine dermaßen starke Abweichung solle auch hier eine entsprechende Berücksichtigung finden (s. dazu Schreiben der OFD Stuttgart vom 9. Juni 1999). Dass der Prüfer bei seinen Ermittlungen nicht auf den Eigenverbrauch eingegangen sei, zeige, dass nicht sorgfältig genug kalkuliert worden sei (Bl. 22, 23).

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung

Bei der Kalkulation des Klägers würden sich die Aufschlagsätze nicht in dem vom Beklagten im Vorverfahren vorgeschlagenen Rahmen bewegen. Der Kläger ermittele bei seiner „berichtigten” Nachkalkulati...

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