Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerstreitende Steuerfestsetzung bei Berücksichtigung des unentgeltlichen Erwerbs zweier in der Schweiz belegener Grundstücke von Todes wegen im inländischen und im Schweizerischen Einkommensteuerbescheid. Progressionsvorbehalt. Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch ein ausländischer Steuerbescheid eröffnet unter den weiteren Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 S. 1 AO die Möglichkeit zur Änderung eines formell und materiell bestandskräftig gewordenen (inländischen) Steuerbescheids.

2. Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO zur Behebung eines etwaigen Widerstreits zwischen einem inländischen Erbschaftsteuerbescheid und einem Bescheid der Schweizerischen Steuerverwaltung hätte eine Beschränkung der in Art. 63 Abs. 1 AEUV auch im Verhältnis zu Drittstaaten verbürgten Kapitalverkehrsfreiheit zur Folge.

3. Der Umstand, dass die in der Schweiz entrichtete Erbschaftsteuer auf die inländische Erbschaftsteuer angerechnet worden ist, ändert nichts daran, dass der streitbefangene Sachverhalt (der anteilige Erwerb zweier in der Schweiz belegener Grundstücke durch den Kläger von Todes wegen) in der Bemessungsgrundlage zweier Steuerbescheide berücksichtigt worden ist.

4. Bezieht sich die mit dem materiellen Recht unvereinbare – und daher widerstreitende – Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts in mehreren Steuerbescheiden auf die doppelte Berücksichtigung im Rahmen des Steuergegenstands, so steht die Zulässigkeit seiner Berücksichtigung bei der Bestimmung des maßgebenden Steuersatzes der Anwendung des § 174 Abs. 1 S. 1 AO nicht entgegen.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 2; DBA CHE 1978 Art. 10 Abs. 1 Buchst. a; AO § 174 Abs. 1 S. 1; AEUV Art. 63 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen II R 62/15)

BFH (Urteil vom 20.03.2019; Aktenzeichen II R 62/15)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25. Januar 2012 und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2012 wird das beklagte Finanzamt verpflichtet, den gegenüber dem Kläger hinsichtlich des Erwerbs von Todes wegen nach Frau A ergangenen Bescheid vom 5. April 2011 zu ändern und die Erbschaftsteuer auf 1.140 EUR herabzusetzen.

2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann das Finanzamt die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, die gegenüber dem Kläger auf Ableben der A(Erblasserin) erfolgte Festsetzung der Erbschaftsteuer zu seinen Gunsten zu ändern.

Der Kläger ist einer der Geschwister der am 1. April 2009 verstorbenen Erblasserin. Diese war Schweizer Staatsbürgerin, wohnte zuletzt in CH-X (Kanton B) und war Witwe des vorverstorbenen Ehemanns, mit dem sie vor dem Notar N in Y am 12. Dezember 2005 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen hatte; über eine ständige Wohnstätte in Deutschland verfügte sie in den letzten fünf Jahren vor ihrem Tod nicht. Aufgrund der in dem Ehe- und Erbvertrag von seiner Schwester getroffenen letztwilligen Verfügungen wurde der Kläger – ebenso wie seine weiteren noch lebenden Geschwister – als Miterbe zu 1/10 an ihrem Nachlass beteiligt. Zu diesem Nachlass gehörten u. a. zwei zu privaten Wohnzwecken genutzte Grundstücke in X/Schweiz, die nach dem Tod der Erblasserin alsbald für 3.200.000 CHF verkauft worden sind. Mit Verfügung vom 20. September 2009 führte die Steuerverwaltung des Kantons B eine Erbschaftsteuer-Veranlagung durch und setzte gegenüber dem Kläger ausgehend von einem Vermögensanfall in Höhe von 119.400 CHF Erbschaftsteuer in Höhe von 6.444 CHF fest (FG-Akte Bl. 79 ff.); in die Ermittlung des Vermögensanfalls des Klägers sind die Grundstücke mit ihren amtlichen Werten in Höhe von insgesamt 830.300 CHF anteilig eingegangen.

Nachdem das beklagte FA von der Erbschaft des Klägers Kenntnis erlangt hatte, forderte es ihn unter Übersendung der amtlichen Erklärungsvordrucke mit Schreiben vom 31. Januar 2011 auf, eine Erbschaftsteuererklärung auf Ableben der Erblasserin abzugeben (ErbSt-Akten Bl. 34). In einem daraufhin am 18. März 2011 beim FA eingegangenem Schreiben vom 1. März 2011 bestätigte er, „das anteilige Erbe lt. Teilungsabrechnung von Frau A in Höhe von 330.450,40 CHF = 218.758,16 EUR erhalten zu haben”; eine formgerechte Erbschaftsteuererklärung reichte er nicht ein.

Hiervon ausgehend sowie aufgrund der aus den Erklärungen anderer Miterben gewonnenen Erkenntnissen setzte das FA gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 5. April 2011 (ErbSt-Akten Bl. 77 f.)...

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