Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?

 

Normenkette

Art. 63, Art. 65 AEUV, § 2, § 15, § 27 ErbStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Alleinerbe seiner am 20.1.2007 verstorbenen Mutter (M), die zusammen mit ihrer Tochter (T) bis zu deren Ableben am 29.10.2004 in Österreich gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegt hatte. M war Miterbin der T. Der Nachlass der T wurde erst nach dem Tod der M verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der M deren Anteil am Nachlass der T. Für den der M zuzurechnenden Erwerb vom Oktober 2004 wurde in Österreich Erbschaftsteuer festgesetzt und vom Kläger bezahlt.

Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach M die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG. Das FA berücksichtigte im Erbschaftsteuerbescheid zwar die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit, lehnte aber die Berücksichtigung der Steuerermäßigung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 ErbStG einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher hier nicht vorliege (Hessisches FG, Urteil vom 3.7.2013, 1 K 608/10, Haufe-Index 5784977, EFG 2013, 2035).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Frage der Vereinbarkeit des § 27 ErbStG mit Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 AEUV dem EuGH vorgelegt.

 

Hinweis

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob im Rahmen des § 27 ErbStG auch eine ausländische Steuer berücksichtigungsfähig ist. Nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG setzt die Steuerermäßigung ausdrücklich voraus, dass bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens für den früheren Vermögensanfall "nach diesem Gesetz" eine Steuer zu erheben war.

1.§ 27 ErbStG sieht eine Steuerermäßigung vor, wenn dasselbe Vermögen innerhalb weniger Jahre mehrfach auf nahe Angehörige übergeht. Nach dem Grundgedanken der Vorschrift soll bei einem mehrfachen Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % ermäßigt werden.

2. Nach deutschem Recht erfasst § 27 ErbStG nur Fälle, in denen für den Vorerwerb Erbschaftsteuer nach dem in Deutschland geltenden ErbStG festzusetzen war. Die für den Vorerwerb erhobene Erbschaftsteuer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats – im Streitfall nach dem österreichischen Erbschaftsteuerrecht – ist i.S.d. § 27 Abs. 1 ErbStG keine Steuer "nach diesem Gesetz".

3. Fraglich ist die Vereinbarkeit des § 27 Abs. 1 ErbStGmit Gemeinschaftsrecht. Aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) sind bei Erbschaften Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dessen Gebiet sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der deren Erwerb von Todes wegen besteuert. Eine solche Wertminderung tritt durch die Versagung der Steuerermäßigung des § 27 Abs. 1 ErbStG ein.

Geht man hier von einer Beschränkung des ­freien Kapitalverkehrs aus, so stellt sich die Frage einer erlaubten Ungleichbehandlung (Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV) bzw. einer durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen willkürlichen Diskriminierung.

4. In entsprechenden Fällen sollte darauf geachtet werden, dass Erbschaftsteuerbescheide bis zur Entscheidung des EuGH für vorläufig erklärt werden (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 20.1.2015 – II R 37/13

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