Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit, Steuerbefreiung, Lieferung von Gebäuden vor Erstbezug, Begriff des Erstbezugs, Begriff des Umbaus

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 12 Abs. 1 und 2 sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die die Mehrwertsteuerbefreiung für die Lieferung von Gebäuden von der Voraussetzung abhängig macht, dass der Erstbezug dieser Gebäude im Rahmen einer steuerbaren Handlung erfolgt. Dieselben Bestimmungen sind dahin auszulegen, dass sie einer solchen nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die diese Befreiung von der Voraussetzung abhängig macht, dass im Fall der „Verbesserung“ eines bestehenden Gebäudes die getätigten Ausgaben 30 % des Anfangswerts dieses Gebäudes nicht überschritten haben, sofern dieser Begriff „Verbesserung“ ebenso ausgelegt wird wie der Begriff „Umbau“ in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112, nämlich in dem Sinne, dass das betroffene Gebäude wesentliche Änderungen erfahren haben muss, um dessen Nutzung zu ändern oder dessen Bezugsbedingungen erheblich zu ändern.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 12 Abs. 1-2, Art. 135 Abs. 1 Buchst. j

 

Beteiligte

Kozuba Premium Selection

Kozuba Premium Selection sp. z o.o

Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 23.02.2016; ABl. EU 2016, Nr. C 335/32)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 12 Abs. 1 und 2Art. 135 Abs. 1 Buchst. j ‐ Steuerbare Umsätze ‐ Befreiung der Lieferungen von Gebäuden ‐ Begriff ‚Erstbezug‘ ‐ Begriff ‚Umbau‘“

In der Rechtssache C-308/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 23. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2016, in dem Verfahren

Kozuba Premium Selection sp. z o.o.

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Juli 2017

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 und 2 sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Kozuba Premium Selection sp. z o.o. (im Folgenden: Kozuba) und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie (Direktor der Finanzkammer Warschau, Polen, im Folgenden: Direktor) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit des Verkaufs eines Gebäudes, das der Eigentümer für den Eigenbedarf genutzt hatte und an dem vor diesem Verkauf Modernisierungsarbeiten vorgenommen worden waren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 7 und 35 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„(7) Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollte, selbst wenn die Sätze und Befreiungen nicht völlig harmonisiert werden, eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb des Gebiets der einzelnen Mitgliedstaaten ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden.

(35) Im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der Eigenmittel in allen Mitgliedstaaten sollte ein gemeinsames Verzeichnis der Steuerbefreiungen aufgestellt werden.“

Rz. 4

Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

,,Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

…“

Rz. 5

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

Rz. 6

Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpfl...

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