Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Arbeitszeitgestaltung. Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Höhe des Entgelts. Vermindertes Entgelt wegen Arbeitsunfähigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1

 

Beteiligte

Staatssecretaris van Financiën

XXXX

Staatssecretaris van Financiën

 

Tenor

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen, wenn ein Arbeitnehmer, der wegen Krankheit arbeitsunfähig ist, sein Recht auf bezahlten Jahresurlaub ausübt, die sich aus der Arbeitsunfähigkeit ergebende Kürzung des Entgelts, das er während des Arbeitszeitraums, der dem Zeitraum der Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs vorausgeht, erhalten hat, zur Bestimmung des Entgelts, das er im Rahmen seines bezahlten Jahresurlaubs erhalten wird, berücksichtigt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Overijssel (Bezirksgericht Overijssel, Niederlande) mit Entscheidung vom 20. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2020, in dem Verfahren

XXXX

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin) sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. M. de Ree, M. K. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. van Vliet und C. Valero als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juli 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger des Ausgangsverfahrens und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) über die Höhe des Entgelts, auf das der Kläger im Rahmen des bezahlten Jahresurlaubs Anspruch hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2 und 4 bis 6 der Richtlinie 2003/88 heißt es:

„(2) Nach Artikel 137 [EG] unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten, um die Arbeitsumwelt zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu verbessern. …

(4) Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.

(5) Alle Arbeitnehmer sollten angemessene Ruhezeiten erhalten. …

(6) Hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung ist den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation Rechnung zu tragen; dies betrifft auch die für Nachtarbeit geltenden Grundsätze.”

Rz. 4

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich”) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind

a) … der Mindestjahresurlaub, …

…”

Rz. 5

Art. 7 („Jahresurlaub”) dieser Richtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.”

Niederländisches Recht

Rz. 6

Nach Art. 22 Abs. 1 des Algemeen Rijksambtenarenreglement (Allgemeines Statut der Staatsbediensteten) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ARAR) haben Staatsbedienstete einen jährlichen Anspruch auf Urlaub unter Beibehaltung ihrer vollen Besoldung.

Rz. 7

Art. 37 ARAR bestimmt:

„(1) Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, hat ein Staatsbediensteter Anspruch auf Fortzahlung seiner Besoldung für einen Zeitraum von 52 Wochen. Im Falle fortdauernder Arbeitsunfähigkeit hat er Anspruch auf Fortzahlung von 70 % seiner Besoldung.

(5) Abweichend von Absatz 1 hat der Staatsbedienstete auch nach Ende des in Abs. 1 genannten Zeitraums von 52 Wochen Anspruch auf Fortzahlung seiner Besoldung für die Anzahl gearbeiteter Stunden oder der Stunden, die von ihm geleistet ...

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