Leitsatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 59 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. (jetzt Art. 49 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F.) dahin gehend auszulegen, dass von seinem Schutzbereich auch die nebenberufliche Tätigkeit als Lehrer im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Universität) erfasst wird, wobei für diese Tätigkeit als quasi ehrenamtliche Tätigkeit nur eine Aufwandsentschädigung geleistet wird?

2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Ist die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die darin liegt, dass Entschädigungen nur steuerbegünstigt sind, wenn sie von inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden (hier: § 3 Nr. 26 des EStG) dadurch gerechtfertigt, dass die nationalstaatliche Steuerbegünstigung nur durch eine Tätigkeit zugunsten einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts legitimiert ist?

3. Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird: Ist Art. 126 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. (jetzt Art. 149 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F.) dahin auszulegen, dass eine steuerrechtliche Regelung, mit deren Hilfe das Bildungssystem ergänzend gestaltet wird (wie hier § 3 Nr. 26 des EStG), im Hinblick auf die insoweit fortbestehende Verantwortung der Mitgliedstaaten zulässig ist?

 

Normenkette

§ 3 Nr. 26 EStG, Art. 49, Art. 149, Art. 234 EG

 

Sachverhalt

Kläger ist ein in Deutschland wohnender und niedergelassener Rechtsanwalt (R). Im Streitjahr 1991 nahm dieser einen 16 Stunden umfassenden Lehrauftrag an der Universität Straßburg wahr, wofür er nach Abzug französischer Sozialabgaben einen Betrag von 4.815 FF erhielt. Das FA unterwarf den Bruttobetrag von 5.760 FF (= 1.612 DM) der ESt.

Den Einspruch des R, mit dem dieser erreichen wollte, ihm für die erhaltene Zahlung den Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG zu gewähren, wies das FA als unbegründet zurück. Die Klage beim FG hatte keinen Erfolg. Im Revisionsverfahren vor dem BFH machte R insbesondere geltend, § 3 Nr. 26 EStG diskriminiere Tätigkeiten bei Körperschaften des öffentlichen Rechts im Ausland.

 

Entscheidung

Der BFH setzte das Revisionsverfahren gem. § 74 FGO aus und legte dem EuGH gem. § 234 Abs. 3 EG die im Leitsatz formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor.

 

Hinweis

1. Nach § 3 Nr. 26 EStG sind u.a. Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche unterrichtende Tätigkeiten bis zur Höhe von 2.400 DM (jetzt: 1.848 €) im Jahr steuerfrei. Gesetzliche Voraussetzung dafür ist, dass die Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht wird. Daran fehlt es eindeutig im Streitfall, da die Universität Straßburg im Ausland liegt.

2. Der BFH hält es allerdings für nicht eindeutig und bislang ungeklärt, wie Art. 59 EGV (jetzt: Art. 49 EG) in Bezug auf die Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG auszulegen ist.

Art. 49 EG verbietet die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft. Dabei sind als Beschränkung alle Maßnahmen anzusehen, die geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl., 2005, § 7 Rz. 24 f.). Beschränkungen können deshalb grundsätzlich auch in Form steuerrechtlicher Benachteiligungen stattfinden. Dienstleistungen werden in Art. 50 EG als solche Leistungen definiert, die i.d.R. gegen Entgelt erbracht werden.

3. Zweifelhaft ist nach Auffassung des BFH bereits, ob die in § 3 Nr. 26 EStG aufgeführten nebenberuflichen Tätigkeiten überhaupt in den Schutzbereich des freien Dienstleistungsverkehrs fallen. Die nationale Regelung erfasst nämlich nur "Aufwandsentschädigungen", die kein besonderes Entgelt für eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr i.S.d. Art. 2 EG darstellen, sondern lediglich die mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit verbundenen Aufwendungen abgelten sollen.

Aber auch für den Fall, dass die im Streitfall ausgeübte nebenberufliche unterrichtende Tätigkeit vom Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit erfasst sein sollte, erscheint es dem BFH fraglich, ob nicht ein legitimes staatliches Interesse daran besteht, diese Tätigkeit nur insoweit zu begünstigen, als sie für inländische Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Denn der deutsche Staat entlastet sich mit der Regelung in § 3 Nr. 26 EStG von Aufgaben, die eigentlich ihm selbst obliegen, und gewährt dafür dem Leistenden eine Steuerbegünstigung. Bei den Aufgaben handelt es sich zudem um Bildungsaufgaben, deren Organisation und Gestaltung nach Art. 149 EG nach wie vor in der Verantwortung der Mitgliedstaaten stehen. Die für Bildungsaufgaben garantierte Gestaltungsfreiheit umfasst nicht nur die Pflicht zur Finanzierung der Bildungsaufgaben, sondern auch die Freiheit, das Bildungssystem durch steuerliche Maßnahmen zu fördern. Eine solche F...

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