Leitsatz

Das in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1990 für Entnahmen gewährte Wahlrecht zur Buchwertfortführung (sog. Buchwertprivileg) kann auch in Anspruch genommen werden, wenn Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens beim Tod eines Gesellschafters der Personengesellschaft auf den Erben übergehen, die Gesellschaft aber aufgrund einer Fortsetzungsklausel mit den bisherigen Gesellschaftern fortgeführt wird.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG , § 16 Abs. 3 EStG , § 34 Abs. 1 EStG , § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin – eine von der Körperschaftsteuer befreite Stiftung – war Erbin nach einer Kommanditistin. Die KG wurde nach dem Gesellschaftsvertrag mit den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt. Der von diesen geschuldete Abfindungsanspruch und das Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin gingen auf die Klägerin über.

Das FA war der Meinung, dass in Höhe der stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens bei der Erblasserin ein Veräußerungsgewinn angefallen sei. Die Klägerin berief sich demgegenüber auf das Buchwertprivileg. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Die zwangsweise Realisierung der stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens beim Tod des Gesellschafters führe wie im Fall der qualifizierten Nachfolgeklausel zur Gewinnrealisierung. Anders als bei der qualifizierten Nachfolgeklausel sei die zwangsweise Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen aber keine Entnahme; vielmehr handle es sich wie bei der Veräußerung des Gesellschaftsanteils und der Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen um eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils.

Die Anwendbarkeit des Buchwertprivilegs folge daraus, dass auch die Betriebsaufgabe nichts anderes als eine Gesamtentnahme des Betriebsvermögens (Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen) durch den Gesellschafter sei. Die Inanspruchnahme des Buchwertprivilegs für das Sonderbetriebsvermögen stehe der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils mit dem ermäßigten Steuersatz nicht entgegen. Zwar würden in diesem Fall nicht alle stillen Reserven aufgedeckt; es gelte aber insoweit nichts anderes als für die teilentgeltliche Veräußerung eines Mitunternehmeranteils.

 

Hinweis

Der Fall betrifft mit dem sog. Buchwertprivileg des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a EStG 1990 (jetzt: Nr. 4 Satz 4 EStG, der ab 1.1.2000 auch Zuwendungen i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG umfasst) eine eher seltene Variante der Buchwertübertragung; das Privileg gewinnt aber mit der verstärkten steuerrechtlichen Förderung der Stiftungen (durch das StiftungsFördG vom 14.7.2000, BStBl I 2000, 1192 und dazu Hüttemann, DB 2000, 1584) auch für die Steuergestaltung zunehmend an Bedeutung. Darüber hinaus ist das Urteil vor allem deshalb bemerkenswert, weil es Rechtsprechungsgrundsätze zur Besteuerung eines Mitunternehmeranteils beim Tod eines Gesellschafters bestätigt und weiterentwickelt, die man bisher noch nicht als gesichert ansehen konnte.

Der Mitunternehmeranteil umfasst sowohl den Gesellschaftsanteil als auch das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters (Mitunternehmers). Stirbt dieser, kommt es meistens zur Aufspaltung des Mitunternehmeranteils: Der Gesellschaftsanteil geht – regelmäßig (vgl. ab 1.7.1998 § 131 Abs. 3 HGB) – auf die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter (Fortsetzungsklausel) über, bei einer entsprechenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag auch auf die Erben (einfache Nachfolgeklausel) oder auf einen vom Gesellschafter-Erblasser bestimmten Rechtsnachfolger (qualifizierte Nachfolgeklausel); das Sonderbetriebsvermögen fällt den Erben oder anderen letztwillig bedachten Personen zu.

Die an diese Aufspaltung anknüpfenden Rechtsfolgen sind nicht einheitlich (vgl. näher Schmidt Wacker, EStG, 20. Auflage, § 16 Rz. 660 f.). Nach der vorliegenden Entscheidung kann man von einer einheitlichen Behandlung aber wenigstens insoweit ausgehen, als der Übergang des Sonderbetriebsvermögens auf den/die Rechtsnachfolger eine zwangsweise Realisierung der stillen Reserven beim Erblasser zur Folge hat; unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben sich aber nach wie vor insoweit, als der Erblasser nicht in allen Fällen die Besteuerung nach §§ 16, 34 EStG in Anspruch nehmen kann.

Unter den Voraussetzungen des Buchwertprivilegs führte die Vereinbarung einer Fortsetzungsklausel aber insoweit zu einer Meistbegünstigung:

  • Die zwangsweise Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen des verstorbenen Gesellschafters wird – entgegen einer früheren BFH-Entscheidung – nicht mehr als Entnahme beurteilt, sondern i.V.m. der Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die verbliebenen Gesellschafter als Aufgabe des Mitunternehmeranteils; die Befürchtung, dass damit auch das Buchwertprivileg fallen könnte, das eine "Entnahme" voraussetzt, zerstreute der BFH mit dem Hinweis, dass die Aufgabe des Mitunternehmeranteils wie die Betriebsaufgabe letztlich nichts anderes als eine Gesamtentnahme des Betriebsvermögens sei.
  • War damit die Buchwertfortführu...

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