Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsbeklagte |
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Hamburg, Mönckebergstraße 7, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin zu ihren Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 1984 und 1985 von der Beklagten rechtmäßig veranlagt worden ist.
Die Klägerin betreibt seit dem Jahre 1982 ein Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit dem Schwerpunkt: Verleih von Arbeitnehmern für Sekretariats- und Schreibtätigkeiten sowie für die allgemeine kaufmännische Sachbearbeitung, Buchhaltung und Datenverarbeitung.
Mit dem am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Gefahrtarif stellte die Beklagte von einem nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif auf ein gewerbezweigbezogenes System um. In diesem von der Vertreterversammlung der Beklagten am 28. Juni 1983 beschlossenen Gefahrtarif sind die Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in zwei Gruppen unterteilt: Unternehmen, in denen überwiegend Personen tätig sind, die im büromäßigen Bereich arbeiten, sind zur Gefahrtarifstelle 5.9 mit der Gefahrklasse 3,5 zu veranlagen; Unternehmen, in denen überwiegend Personen tätig sind, die im nicht büromäßigen Bereich arbeiten, sind der Gefahrtarifstelle 5.10 mit der Gefahrklasse 16 zuzuordnen.
Mit Bescheid vom 26. November 1984 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß ab 1. Januar 1984 für die Berechnung der Beiträge ein neuer Gefahrtarif maßgebend sei und daß sie ab diesem Zeitpunkt nach der Gefahrtarifstelle 5.9 "(überwiegend Büro)" mit der Gefahrklasse 3,5 und nach der Gefahrtarifstelle 5.10 "(nicht überwiegend Büro)" mit der Gefahrklasse 16 veranlagt werde. Sodann setzte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 1985, geändert durch Bescheid vom 16. Dezember 1988 für das Jahr 1984 und mit Bescheid vom 25. April 1986 für das Jahr 1985 den Gesamtbeitrag unter Zugrundelegung einer zur Gefahrklasse 3,5 veranlagten Lohnsumme fest. Die Widersprüche der Klägerin blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. März 1987).
Im Mai 1986 beantragte die Klägerin außerdem, nach Teil II Nr 2 des Gefahrtarifs die Gefahrklasse, zu der sie veranlagt wurde, für die Jahre 1984 und 1985 um 50 vH herabzusetzen, weil in ihrem nahezu ausschließlich im kaufmännischen Bereich und im Bankbereich tätigen Unternehmen eine nur geringe Unfallgefahr bestehe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 1987 idF des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1988 ab.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. August 1989 alle angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß die Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 des ab 1. Januar 1984 geltenden Gefahrtarifs rechtswidrig seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 25. April 1990 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat ferner die weiteren während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Beitragsbescheide für die Jahre 1986 bis 1988 auf die Anschlußberufung der Klägerin aufgehoben. Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß der Veranlagungsbescheid und die darauf beruhenden Beitragsbescheide auf einem insoweit rechtswidrigen Gefahrtarif beruhten. Der ebenfalls angefochtene Bescheid über die abgelehnte Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr 2 des Gefahrtarifs sei praktisch gegenstandslos und deshalb zu Recht aufgehoben worden.
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 21. August 1991 das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen. Zur Begründung heißt es im wesentlichen, die Beklagte habe zumindest nicht rechtswidrig gehandelt, als sie den für Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung geltenden, nach Tätigkeiten gegliederten Tarif zum 1. Januar 1984 auf ein gewerbebezogenes, gemischtes System umgestellt habe, diese Unternehmen als einen gesonderten Gewerbezweig mit einer ausreichend großen Gefahrengemeinschaft angesehen und für Unternehmen dieser Art die gesonderten Tarifstellen 5.9 und 5.10 eingerichtet sowie die Klägerin für die Jahre 1984 bis 1989 - ausschließlich - in die Gefahrtarifstelle 5.9 eingestuft habe. Insoweit seien der Veranlagungsbescheid und die Beitragsbescheide rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings sei - durch das LSG - noch zu prüfen, ob die für die Gefahrtarifstelle 5.9 von der Vertreterversammlung der Beklagten festgelegte Gefahrklasse 3,5 zutreffend errechnet worden sei. Entsprechend dem Ergebnis der noch nachzuholenden Überprüfung werde dann auch die Rechtmäßigkeit des Bescheides über die Herabsetzung der Gefahrklasse zu beurteilen sein.
Das LSG hat weitere Ermittlungen insbesondere zu der Frage durchgeführt, wie die für die Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 im Gefahrtarif vom 28. Juni 1983 festgelegten Gefahrklassen 3,5 und 16 im Betrachtungszeitraum der Jahre 1978 bis 1982 errechnet worden seien. Das LSG hat sodann in dem auf die Beitragsjahre 1984 und 1985 beschränkten Rechtsstreit mit Urteil vom 24. November 1993 das Urteil des SG geändert und die Klage gegen den angefochtenen Veranlagungsbescheid sowie die Beitragsbescheide insoweit abgewiesen, als darin eine Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 5.9 vorgenommen worden ist. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, das BSG habe zwar - für die Berufungsinstanz bindend - die Bildung der Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 und die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 5.9 als rechtmäßig erachtet. Bei der Errechnung der für die Gefahrklasse maßgeblichen Belastungsziffer unter Heranziehung der Faktoren Lohnsummen und Unfallneulast seien jedoch Fehler gemacht worden, "die die statistische Signifikanz des Zahlenmaterials für die Tarifstelle derart in Frage" stellten, daß die auf der Basis dieses Zahlenmaterials berechnete Belastungsziffer nicht mehr als verwertbarer Maßstab für die Beurteilung der Unfallgefahr der unter dieser Tarifstelle zusammengefaßten Unternehmen angesehen werden könne. Folge man dem Vortrag der Beklagten noch im Schriftsatz vom 21. November 1991, so seien in der Praxis bei der Ermittlung des Zahlenmaterials für die Tarifstellen 5.9 und 5.10 der Begriff "büromäßiger Bereich" mit der Versicherungspflicht in der Angestelltenrentenversicherung und der Begriff "nicht büromäßiger Bereich" mit der Versicherungspflicht in der Arbeiterrentenversicherung gleichgesetzt und danach zum Beispiel dem "büromäßigen Bereich" die Kennziffern des Lohn- und Gehaltsnachweises (Formular II) - s beiliegende Anlage 1 - 006 (büro- und kaufmännisches Personal), 067 (Ingenieure [einschließlich Maschinenbau mit überwiegend konstrukt. Aufgaben]), 086 (technischer Zeichner/in) und 102 (Apothekenpersonal) zugeordnet worden. Diese Auswahl entspreche nicht der im Gefahrtarif tatsächlich getroffenen Abgrenzungsregelung.
Das Abgrenzungsmerkmal "Angestelltenversicherung/Arbeiterrentenversicherung" sei nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sowie den Aussagen der als Zeugen gehörten Bediensteten in Wirklichkeit aber auch erst nach Verabschiedung des Gefahrtarifs auf Anregung des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) für die Veranlagungspraxis entwickelt worden. Die Frage der Klägerin, wie dann der Begriff "büromäßiger Bereich" bei der zuvor stattgefundenen Ermittlung des Zahlenmaterials für den Gefahrtarif ausgelegt worden sei, habe der Zeuge L. dahin beantwortet, daß auf Vorschlag von Fachleuten der Beitragsabteilung diesem Bereich - nur - die im Schriftsatz der Beklagten vom 21. November 1991 noch beispielhaft genannten Kennziffern 006, 067, 086 und 102 zugerechnet worden seien. Diese Interpretation des Begriffs "büromäßiger Bereich" begegne Bedenken. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Beklagte bzw ihre Beitragsabteilung bei der Aufstellung des Gefahrtarifs und der Sammlung des Zahlenmaterials einen Ermessens-und Beurteilungsspielraum habe sowie Lücken oder Unklarheiten der tariflichen Regelung durch eigene Interpretation beliebig ausfüllen und verbindlich festlegen könne. Fest stehe, daß die von der Beitragsabteilung bei der Ermittlung des Zahlenmaterials (Entgelte/Unfallasten) für die Tarifstellen 5.9 und 5.10 zugrunde gelegte Interpretation die Grenzen einer möglichen Auslegung jedenfalls überschreite und das darauf basierende Verfahren schon deshalb fehlerhaft gewesen sei.
Des weiteren habe die Beweisaufnahme ergeben, daß bei der Ermittlung des Zahlenmaterials eine Zuordnung der bei der Beklagten gemeldeten Verleihunternehmen zur Gefahrtarifstelle 5.9 oder 5.10 ausschließlich anhand der Lohn- und Gehaltsnachweise für das Jahr 1981 und nur bezüglich neu aufgenommener Unternehmen noch anhand der Lohn- und Gehaltsnachweise 1982 erfolgt sei. Im übrigen sei für die Zuordnung der Unternehmen in den weiteren vier Jahren des angegebenen Beobachtungszeitraums, dh von 1978 bis 1980 und 1982, die für das Jahr 1981 festgelegte Zuordnung ohne Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse als maßgebend angesehen worden. Entsprechend dieser für ein einziges Jahr erfolgten und fiktiv auf insgesamt fünf Jahre fortgeschriebenen Zuordnung der Unternehmen seien dann die zugehörigen Lohnsummen und Entschädigungsleistungen für den Beobachtungszeitraum 1978 und 1982 für die Berechnung der Belastungsziffern addiert und gegenübergestellt worden. Die so gewählte "Zuordnungsbasis" von einem Jahr (1981) sei nicht ausreichend.
Es sei zwar richtig, daß den Berufsgenossenschaften ein erheblicher Regelungsspielraum und zeitlicher Anpassungsspielraum zuzugestehen sei, weil ihnen bei komplexen Sachverhalten und sich sprunghaft entwickelten und veränderten Verhältnissen die Möglichkeit gegeben werden solle, weitere Erfahrungen zu sammeln und Klarheit zu gewinnen. Aber in irgendeiner Form habe die Berufsgenossenschaft (BG) bei der Aufstellung eines neuen Gefahrtarifs sich zumindest um aussagekräftiges und richtiges Zahlenmaterial für die Berechnung der Gefahrklassen der im einzelnen gebildeten Tarifstellen zu bemühen.
Welche konkreten rechnerischen Auswirkungen die fehlerhafte Verfahrensweise der Beklagten auf die Aussagekraft des der Berechnung der Belastungsziffer zugrunde gelegten Zahlenmaterials (Lohnsumme/Unfallneulast) habe, könne nicht beurteilt werden. Da die Fehler bei der Ermittlung dieses Zahlenmaterials grundsätzlicher und generell durchgehender Art seien, könne jedoch nicht einfach angenommen werden, sie hätten sich nur unwesentlich ausgewirkt.
Damit sei auch die Grundvoraussetzung für die von der Klägerin hilfsweise erstrebte und mit Bescheid vom 30. Juli 1987 idF des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1988 abgelehnte Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr 2 des Gefahrtarifs zur Zeit nicht erfüllt. Insoweit sei es bei der Entscheidung des SG zu belassen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte, das angefochtene Urteil verstoße gegen §§ 730, 731 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Umstellung eines Tätigkeitstarifs in einen Gewerbezweigtarif erfordere bei den Mitgliedsunternehmen und der BG selbst einen erheblichen Arbeitsaufwand, weil sich der Beurteilungszeitraum für den neuen Gewerbezweigtarif (im konkreten Fall für die Jahre 1978 bis 1982) zwangsläufig mit der Tarifperiode des letzten Tätigkeitstarifs überschneide. Dies führe auch zu erheblichen Umstellungsschwierigkeiten. Es sei im Interesse der Mitgliedsunternehmen erforderlich, den Aufwand bei der Umstellung möglichst niedrig zu halten, ggfs durch ein vereinfachtes Zahlengewinnungsverfahren, das die Mitgliedsunternehmen möglichst wenig beanspruche, allerdings unter Inkaufnahme gewisser Unsicherheiten bei der Berechnung der Gefahrklassen des neuen Gewerbezweigtarifs.
Auch könne die nach § 730 RVO gebotene Abstufung der Beiträge nach dem "Grad der Unfallgefahr" immer nur eine Schätzung sein. Diese in § 730 erwähnte "Gefahrklasse" spiegele nur das durchschnittliche Risiko einer Risikogemeinschaft wieder. Deshalb verpflichte das Gesetz die BGen in § 731 RVO zur Nachprüfung alle fünf Jahre. Allerdings gebe es keine gesetzliche Regelung über die Dauer des immer vor der Tarifperiode liegenden Beobachtungszeitraums zur Gewinnung des Zahlenmaterials für die Gefahrklassenberechnung. Sie - die Beklagte - sei rechtlich und aus versicherungsmathematischer Sicht befugt gewesen, den neuen Gefahrtarif aufgrund eines Beobachtungszeitraums von nur einem Jahr festzulegen. Sie sei aber weitergegangen und habe einen Zeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt, was die Lohnsumme und die Entschädigung anlange. Lediglich die Aufteilung zwischen den Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 basiere auf den Lohnnachweisen für das Jahr 1981. Der vom LSG gehörte Sachverständige habe bestätigt, daß die Zuordnungsbasis 1981 ausreiche. Wenn sich das LSG aus eigenem Wissen über diese Aussage hinwegsetze, verletzte es die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Im übrigen hätte sie - die Beklagte - bei Bearbeitung des Gefahrtarifs nicht wissen können, welche hohen Maßstäbe das LSG an die Auswertung des Zahlenmaterials anlege. Es gebe bisher keinerlei Rechtsprechung oder sonstige Anweisung, aus der sie in den Jahren 1981/82 hätte entnehmen können, daß die Umstellung auf einen anderen Tarif die Auswertung der Tätigkeitsnachweise für fünf Jahre erforderlich mache. Die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht nur zu den Gefahrtarifen habe sowohl der Verwaltung als auch dem Gesetzgeber das Recht auf Nachbesserung eingeräumt. So führe die fehlende Ermessensgrundlage für ein bestimmtes Verwaltungshandeln nicht zur zurückwirkenden Unwirksamkeit oder Rechtswidrigkeit, sondern verpflichte den Gesetzgeber zur Nachbesserung. Dies müsse auch für ein Verwaltungshandeln gelten, welches aus einer Sicht zehn Jahre später vielleicht nicht alle Gesichtspunkte bis ins letzte Detail berücksichtige.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Hessischen LSG vom 24. November 1993 und das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 29. August 1989 aufzuheben und die Klagen abzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen. |
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Die Klägerin hält die Revision für unbegründet.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) zu dem Ergebnis gelangt, daß die für die Gefahrtarifstelle 5.9 von der Vertreterversammlung am 28. Juni 1983 beschlossene und in den angefochtenen Bescheiden für die Klägerin festgesetzte Gefahrklasse 3,5 unzutreffend errechnet worden ist. Den zutreffenden Entscheidungsgründen des LSG schließt sich der Senat wie folgt an.
Auf Grund der Entscheidung des Senats in seinem zurückverweisenden Urteil vom 21. August 1991 ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Beklagte den für Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung geltenden, nach Tätigkeiten gegliederten Tarif zum 1. Januar 1984 auf ein gewerbebezogenes, gemischtes System umstellte, diese Unternehmen als einen gesonderten Gewerbezweig mit einer ausreichend großen Gefahrengemeinschaft ansah, für Unternehmen dieser Art die gesonderten Tarifstellen 5.9 und 5.10 einrichtete und die Klägerin für die Jahre 1984 bis 1989 - ausschließlich - in die Gefahrtarifstelle 5.9 einstufte. Diese rechtliche Beurteilung hat das LSG zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt (§ 170 Abs 5 SGG). In demselben Ausmaß wie das LSG ist auch der Senat im zweiten Rechtsgang desselben Rechtsstreits an seine im zurückverweisenden Urteil geäußerte Rechtsauffassung gebunden (BSGE 47, 194, 195; Meyer-Ladewig aaO § 170 RdNr 12; Peters/Sautter/Wolff aaO § 170 RdNr 56, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin und Revisionsbeklagten erhobene Gegenrüge, das Senatsurteil vom 21. August 1991 sei hinsichtlich der als rechtmäßig angesehenen Einrichtung der Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 und der dementsprechenden Einstufung der Klägerin in die Gefahrtarifstelle 5.9 unter Verletzung des rechtlichen Gehörs dadurch zustande gekommen, daß das BSG im ersten Revisionsverfahren die Frage der Wegeunfallgefährdung nicht angesprochen habe, greift nicht durch. Entsprechend dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Dezember 1991 (1 BvR 1604/91), wonach im Rahmen des vom BSG an das LSG zurückverwiesenen Verfahrens die Möglichkeit bestand, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß überprüfen zu lassen, hat das LSG auf die Rüge der Klägerin den Gesichtspunkt der Wegeunfallgefährdung aufgegriffen und begründet, weshalb es insoweit der Ansicht der Klägerin nicht folgt (s S 12/13 des Urteils); es hat dazu insbesondere dargelegt, den Ausführungen des erkennenden Senats im zurückverweisenden Urteil sei nicht zu entnehmen, daß der Gesichtspunkt der Wegeunfallgefahr überhaupt alleiniger oder jedenfalls ausschlaggebender Grund dafür gewesen sei, für die Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung von einer gemeinsamen gewerbetypischen Unfallgefahr auszugehen. Im Hinblick darauf, daß hier die Klägerin gegen das Urteil des LSG kein zulässiges Rechtsmittel eingelegt hat, kann der Senat im Rahmen des ausschließlich von der Beklagten durchgeführten Revisionsverfahrens insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Verbots des sog reformatio in peius (Verböserungsverbot - s Meyer-Ladewig, SSG, 5. Aufl, § 123 RdNr 5 mwN) diese Rüge nicht mehr überprüfen.
Von der Rechtmäßigkeit der Einstufung der Klägerin für die Jahre 1984 und 1985 ausgehend hat das LSG mit eingehender Begründung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, daß die Berechnung der für die Gefahrtarifstelle 5.9 festgelegten Gefahrklasse 3,5 unzutreffend ist; zumindest liegen nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bei der Aufteilung der gesamten Lohnsummen und der gesamten Unfallneulasten auf die beiden neu geschaffenen Tarifstellen 5.9 und 5.10 so schwere Fehler vor, daß das ermittelte Zahlenmaterial nicht mehr als verwertbare rechnerische Basis für die Belastungsziffer und die darauf fußende Gefahrklasse 3,5 angesehen werden kann.
Nach § 725 Abs 1 RVO richtet sich die Höhe der Beiträge nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen und dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen. Die BGen haben gemäß § 730 RVO zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden. Die Gefahrklassen der Gefahrtarife werden aus dem Verhältnis der in einem Gewerbezweig (Gefahrtarifstelle) erzielten Entgelte zu der bestehenden Unfallbelastung bestimmt, wobei das rein rechnerische Ergebnis Belastungsziffer genannt wird. Letztere entspricht weitgehend der Gefahrklasse und stellt einen verwertbaren Maßstab für die Beurteilung der Unfallgefahr in den verschiedenen Gewerbezweigen dar, obwohl sie die Unfallgefahr nur ungefähr wiedergibt (BSG SozR 2200 § 731 Nr 2). Bei der Erfüllung der Verpflichtung, durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung ein größerer Regelungsspielraum zu, der durch die Wertentscheidungen des Gesetzes begrenzt ist und folglich nicht in Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts stehen darf (BSGE 27, 237, 240; BSG SozR 2200 § 731 Nr 2 mwN). Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen spielen bei einer Überprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit keine entscheidende Rolle ebensowenig wie die Frage, ob der Gefährdungstarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft (BSGE 54, 232, 235; BSG SozR 2200 § 734 Nr 5). Im Rahmen des der Vertreterversammlung eingeräumten Regelungsspielraums kann sie beispielsweise bestimmen, ob und in welchem Maße Anteile der Unfall-Altlast einbezogen werden oder nicht. Ebenso ist es ihr möglich, Prognosen über die künftige Entwicklung der Zahlen mit einzubauen. Umgekehrt muß sie früher unrichtige Schätzungen oder Umstrukturierungen in den Betrieben bei der Bildung des Gefahrtarifs berücksichtigen und diesen entsprechend korrigieren (BSG SozR 2200 § 734 Nr 3; s dazu näheres bei Schulz, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs, 2. Aufl, 1989, Anm 1.4 insbesondere 1.4.3.1/.2). Daraus folgt, daß der Gefahrtarif und die dazu gebildeten Gefahrklassen insgesamt kein bloßes Rechenwerk, sondern einen Zusammenfluß rechnerischer, wertender und gewichtender Faktoren darstellen. Die Gefahrklasse muß nicht nachrechenbar, wohl aber nachvollziehbar sein.
Im Rahmen dieser sich daraus ergebenden eingeschränkten Überprüfungsbefugnis kann einerseits nicht jeder geltend gemachte Fehler bei der Aufteilung der Lohnsummen und der gesamten Unfallasten auf die für einen Gewerbezweig neu geschaffenen Tarifstellen, der bei genauer Prüfung wohl immer zu finden sein wird, Beachtung finden. Andererseits hat das LSG in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gefahrtarif und die darin gebildeten Gefahrklassen wesentliche Faktoren bei der gerechten Verteilung der Beiträge sind und deshalb auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und im Ergebnis versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen müssen. Es kommt deshalb im vorliegenden Fall darauf an, ob bei der Ermittlung des Zahlenmaterials für die Belastungsziffern zu den Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 Fehler gemacht wurden, die zwar nicht die "statistische Signifikanz" - wie das LSG meint -, aber doch die Aufstellung des Zahlenmaterials für die beiden Tarifstellen nach den oben genannten Kriterien derart in Frage stellen, daß die auf der Basis dieses Zahlenmaterials berechnete Belastungsziffer nicht mehr als verwertbarer Maßstab für die Beurteilung der Unfallgefahr der unter diesen Tarifstellen zusammengefaßten Unternehmen angesehen werden kann. Dies ist nach den bindenden Feststellungen des LSG der Fall.
Die Gefahrklassen für den vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1989 geltenden Gefahrtarif wurden nach dem von der Beklagten vorgelegten und von der Vertreterversammlung der Beschlußfassung zugrunde gelegten "Unfallverzeichnis" (s Anlage 2) aus dem Verhältnis der im Beobachtungszeitraum der Jahre 1978 bis 1982 in den einzelnen Gewerbezweigen der Tarifstellen erzielten Entgelte zu den Entschädigungen (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 542d) errechnet. Nach Festsetzung der niedrigsten Belastungsziffer mit der Gefahrklasse 1 und Umrechnung aller höheren Belastungsziffern auf 1 wurden dann die - gerundeten - Gefahrklassen ermittelt. Speziell für die Tarifstelle 5.9 wurde auf diesem Wege die Belastungsziffer 1,33 und auf die kleinste Belastungsziffer bezogen eine umgerechnete Belastungsziffer von 3,69 ermittelt, die auf 3,5 gerundet wurde (s Bl 20 der Streitakte).
Gegen dieses Verfahren ist mit dem LSG rechtlich prinzipiell nichts einzuwenden. Dieses im "Unfallverzeichnis" dokumentierte Verfahren ist zwischen den Beteiligten nach den Feststellungen des LSG auch nicht streitig. Das LSG hat jedoch aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Recht die zutreffende Zuordnung der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu den Tarifstellen 5.9 und 5.10 bei der Ermittlung des Zahlenmaterials für den ab 1. Januar 1984 geltenden Gefahrtarif beanstandet. Die von der Beklagten insoweit getroffene Zuordnung ist für die Aussagekraft des Zahlenmaterials (Lohnsumme/Unfallneulast) von grundsätzlicher Bedeutung. Denn aus dem Verhältnis von Lohnsummen und Entschädigungsleistungen läßt sich nur dann eine rechtlich nicht zu beanstandende Belastungsziffer errechnen, wenn die primär erst einmal vorzunehmende Zuordnung der Unternehmen zumindest im Grundsatz nachvollziehbar ist. Das ist hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall.
Weder von der Vertreterversammlung der Beklagten noch von dem für die Aufstellung des "Unfallverzeichnisses" zuständigen Vorstand der Beklagten ist seinerzeit näher festgelegt worden, was auf dem speziellen Gebiet der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung unter "büromäßigen Bereich" und "nicht büromäßigen Bereich" verstanden wurde und werden sollte. Das LSG hat ferner festgestellt, die Beklagte habe im wiedereröffneten Berufungsverfahren vorgetragen, in der Praxis seien bei der Ermittlung des Zahlenmaterials für die Tarifstellen 5.9 und 5.10 der Begriff "büromäßiger Bereich" mit der Versicherungspflicht in der Angestelltenrentenversicherung und der Begriff "nicht büromäßiger Bereich" mit der Versicherungspflicht in der Arbeiterrentenversicherung gleichgesetzt worden und danach zB dem "büromäßigen Bereich" die Kennziffern des Lohn- und Gehaltsnachweises (Formular II) - s Anlage 1 - 006 (büro- und kaufmännisches Personal), 067 (Ingenieure [einschließlich Maschinenbau mit überwiegend konstruk. Aufgaben]), 086 (technischer Zeichner/in) und 102 (Apothekenpersonal) zugeordnet.
Der Senat kann offenlassen, ob die Unterscheidung zwischen Angestelltenrentenversicherung und Arbeiterrentenversicherung ein rechtlich mögliches Abgrenzungsmerkmal für die Tarifstellen 5.9 und 5.10 darstellt. Denn das LSG hat dazu festgestellt, daß dieses Abgrenzungsmerkmal nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und den Aussagen der Zeugen L. und G. in Wirklichkeit erst nach Verabschiedung des Gefahrtarifs durch die Vertreterversammlung auf Anregung des BZA für die Veranlagungspraxis entwickelt wurde.
Bei der Ermittlung des Zahlenmaterials für den Gefahrtarif sind dem büromäßigen Bereich im Sinne der Tarifstelle 5.9 "auf Vorschlag von Fachleuten der Beitragsabteilung" - nur - die im Schriftsatz der Beklagten vom 21. November 1991 noch beispielhaft genannten Kennziffern 006, 067, 086 und 102 zugerechnet worden.
Mit dem LSG ist es auch für den Senat nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen nur diese Kennziffern dem büromäßigen Bereich zugeordnet wurden; angestelltenversicherungspflichtig wären von den im Formular II aufgeführten Berufs-oder Tätigkeitsgruppen ua auch die Nrn 021, 025, 047, 059, 065, 085, 091, 135, 146, 152 und 169. Hiervon ausgehend hat das LSG zutreffend die rechtliche Schlußfolgerung gezogen, daß die Ermittlung des Zahlenmaterials (Entgelt/Unfallbelastung) so viele Unklarheiten und Lücken aufweist, daß das darauf basierende Verfahren zur erstmaligen Berechnung der Belastungsziffer und damit zur Festsetzung der Gefahrklassen für die Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 fehlerhaft ist.
Welche konkreten rechnerischen Auswirkungen diese fehlerhafte Verfahrensweise der Beklagten auf die Aussagekraft des für die Tarifstelle 5.9 ermittelten und der Berechnung der Belastungsziffer zugrunde gelegten Zahlenmaterials hatte, kann der Senat ebenso wie das LSG nicht beurteilen. Da aber dieser Fehler bei der Ermittlung des Zahlenmaterials grundsätzlicher Art ist, kann bei den unterschiedlichen Größen der Belastungsziffern für die Tarifstellen 5.9 und 5.10 nicht einfach gesagt werden, daß er sich schon der Art nach nicht oder nur unwesentlich ausgewirkt hat.
Allein aus diesem Grund ist damit die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Auf die weiteren vom LSG erörterten Gesichtspunkte zum Zuordnungskriterium "überwiegend" und zur Frage, ob bei der Ermittlung des Zahlenmaterials eine Zuordnungsbasis von nur einem Jahr als maßgebend angesehen werden könne, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr an.
Nach alledem fehlt es zur Zeit an einer gültigen Gefahrklasse für die Tarifstelle 5.9 des für die Jahre 1984 bis 1989 geltenden Gefahrtarifs der Beklagten vom 28. Juni 1983. Damit ist auch die Grundvoraussetzung für die von der Klägerin hilfsweise erstrebte und durch Bescheid vom 30. Juli 1987 idF des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1988 abgelehnte Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr 2 dieses Gefahrtarifs nicht erfüllt. Das LSG hat es daher zu Recht es bei der diese Bescheide aufhebenden Entscheidung des SG belassen. Einwendungen hiergegen hat die Revision der Beklagten auch nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie berücksichtigt, daß die Klägerin sich zunächst mit einer unzulässigen Anschlußrevision gegen die Einrichtung der Gefahrtarifstellen 5.9 und 5.10 und gegen ihre Einstufung in die Gefahrtarifstelle 5.9 gewandt und - nach einer Erwiderung durch die Beklagte hierzu - erst auf einen rechtlichen Hinweis des Berichterstatters dieses Rechtsmittel zurückgenommen hat.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen