Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 12.12.2018; Aktenzeichen S 90 KR 34/17)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 27.09.2021; Aktenzeichen L 16 KR 62/19)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihre Prozessbevollmächtigte beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Implantatversorgung im Oberkiefer bei der KK ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Beklagte zur Kostentragung verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, bei der Klägerin liege keine der Ausnahmeindikationen nach § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V iVm § 92 SGB V und Kapitel B VII Nr 2 Satz 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) in der ab dem 18.6.2006 gültigen Fassung vor, sondern eine ausgeprägte Atrophie des Oberkiefers. Die Nichtberücksichtigung auch ausgeprägter Kieferatrophien stehe nach der Rechtsprechung des BSG mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang. Danach solle eine implantologische Versorgung nur in besonders schweren Fällen bezahlt werden, wenn sie im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erfolge. Der Gleichheitssatz sei dadurch nicht verletzt (Urteil vom 27.9.2021).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Gleichzeitig beantragt sie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten.

II

Die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen (dazu 1.), die Beschwerde der Klägerin ist zu verwerfen (dazu 2.).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte PKH unter Beiordnung einer anwaltlichen Bevollmächtigten. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die Klägerin kann aller Voraussicht nach mit ihrem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Nach Durchsicht der Akten fehlen auch unter Würdigung ihres Vorbringens Anhaltspunkte dafür, dass sie einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Hierfür ist nichts ersichtlich. Die Sache bietet angesichts der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Anspruch auf Versorgung mit Zahnimplantaten nach § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V(vgl zuletzt BSG vom 16.8.2021 - B 1 KR 8/21 R - SozR 4-2500 § 28 Nr 10 RdNr 9 ff mwN) keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgrund einer noch verbliebenen Klärungsbedürftigkeit (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG; vgl dazu 2.). Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend bewusst von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die Revisionszulassung rechtfertigende Verfahrensfehler bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die Klägerin hat auch in der Beschwerdebegründung keine Zulassungsgründe vorgetragen, aus denen sich eine hinreichende Erfolgsaussicht ergeben könnte.

2. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die Klägerin formuliert bereits keine konkrete Rechtsfrage, die sie in einem Revisionsverfahren geklärt wissen will. Sollte ihrem Vorbingen, das sich darauf beschränkt, dass geprüft werden müsse, ob die Norm nicht doch für Einzelfallentscheidungen offen sei, konkludent die Rechtsfrage entnommen werden, ob der Ausschluss von medizinisch notwendigen Behandlungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V vereinbar ist, legt sie jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dar. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin setzt sich mit der ständigen, auch vom LSG in Bezug genommenen Rechtsprechung des Senats zu der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht auseinander (vgl zuletzt BSG vom 16.8.2021 - B 1 KR 8/21 R - SozR 4-2500 § 28 Nr 10 RdNr 9 ff mwN).

Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 5; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6; jeweils mwN). Auch hierzu fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Rechtsfrage seit der jüngsten Entscheidung des Senats (BSG vom 16.8.2021 - B 1 KR 8/21 R - SozR 4-2500 § 28 Nr 10) erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schlegel

Estelmann

Scholz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15503294

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