Rn 3

Findet eine Gläubigerversammlung vor Abhaltung des Prüfungstermins statt oder ist dort die Forderung eines Gläubigers streitig geblieben, so vollzieht sich die Feststellung des Stimmrechts nach Abs. 2. Voraussetzung für ein Stimmrecht in diesen Fällen ist aber in jedem Fall eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung gemäß § 174.[2] Dies ergibt sich schon aus einer systematischen Auslegung der Vorschrift. Abs. 1 spricht nicht wie § 95 Abs. 1 KO von festgestellten Forderungen, sondern führt explizit die Voraussetzungen einer Forderungsanmeldung sowie eines Nichtbestreitens aus. Abs. 2 schließt daran unmittelbar eine Regelung für den Fall an, dass die Forderung des Gläubigers bestritten wird. Daraus ist der systematische Schluss gerechtfertigt, dass es auch für diesen Fall bei der schon nach Abs. 1 geforderten weiteren Voraussetzung der ordnungsgemäßen Anmeldung verbleibt. Im Übrigen erscheint dies auch zweckmäßig, da ohne eine Forderungsanmeldung mit den nach § 174 Abs. 2 geforderten Angaben eine sinnvolle und nachvollziehbare Entscheidung über das Stimmrecht kaum möglich sein dürfte. Eine Anmeldung seiner Forderung vor Abhaltung der Gläubigerversammlung vor einem Prüfungstermin ist dem Gläubiger zur Erlangung eines Stimmrechts auch zumutbar, da ohnehin nach § 28 Abs. 1 die Anmeldefrist seit Eröffnung des Verfahrens läuft und damit eine Anmeldung für jedermann möglich ist, soweit er die Teilnahme an einer Gläubigerversammlung vor dem allgemeinen Prüfungstermin beabsichtigt. Dies bedeutet für den Gläubiger auch keine zusätzliche Erschwernis, da er andernfalls ohne vorherige Anmeldung seine Forderung umfassend entsprechend den nach § 174 erforderlichen Kriterien ohnehin im Gläubigerversammlungstermin darlegen und glaubhaft machen müsste. Dies kann genauso gut kurze Zeit vor dem Versammlungstermin erfolgen, hat aber andererseits für Verwalter und Gericht den Vorteil, dass bereits zu Beginn der Versammlung der Kreis der ggf. stimmberechtigten Gläubiger feststeht und insoweit umfangreiche und langwierige Prüfungshandlungen im Termin entfallen. Auch wird man nach dem Wortlaut des Abs. 1 eine Forderungsanmeldung erst im Versammlungstermin für unzulässig ansehen müssen, da Abs. 1, dessen Wortlaut auf Abs. 2 ausstrahlt, von Forderungen spricht, die "angemeldet … worden sind", und nicht von solchen, die angemeldet werden.

 

Rn 4

Liegt also eine ordnungsgemäße Anmeldung vor und wird diese in einer Gläubigerversammlung vor dem ersten Prüfungstermin von niemandem bestritten, so ist sie im Umfang der Anmeldung stimmberechtigt. Wird sie in einer solchen Versammlung von einem Berechtigten bestritten oder ist sie nach Abhaltung eines Prüfungstermins mit feststellungshindernder Wirkung ganz oder teilweise streitig geblieben, so setzt das in Abs. 2 geregelte Verfahren ein. In erster Linie soll danach wie auch nach bisherigem Recht das Stimmrecht durch eine Einigung zwischen Insolvenzverwalter und den in der Gläubigerversammlung erschienenen stimmberechtigten Gläubigern festgelegt werden. Erforderlich ist also eine vollständige Übereinstimmung zwischen allen Verfahrensbeteiligten über das zu gewährende Stimmrecht. An diesem Einigungsprozess ist auch zu beteiligen, dessen Forderung bestritten ist.[3] Darüber hinaus sind auch die Gläubiger zu beteiligen, deren Forderungsanmeldung ebenfalls noch ungeprüft oder bestritten ist und über deren Stimmrecht noch keine Einigung erfolgt ist. Eine bloße Mehrheitsentscheidung der stimmberechtigten Gläubiger genügt nicht, um eine Einigung über das Stimmrecht herbeizuführen. Kommt es zu einer Einigung über das Stimmrecht, so ist diese vom Insolvenzgericht entsprechend seiner Leitungsbefugnis nach § 76 Abs. 1 zu protokollieren.

 

Rn 5

Kann keine Einigung herbeigeführt werden, so entscheidet nach Abs. 2 Satz 2 das Insolvenzgericht. Kriterien für diese Entscheidung enthält das Gesetz nicht. Das Gericht wird aber nach pflichtgemäßem Ermessen[4] unter Heranziehung der verfügbaren Informationen über Forderungsgrund und -höhe entscheiden. Gerade in diesem Bereich zeigen sich die Vorteile der Auffassung, eine vorherige ordnungsgemäße Forderungsanmeldung als unverzichtbare Voraussetzung für eine Stimmrechtsgewährung anzusehen. Wie soll das Insolvenzgericht eine solche Stimmrechtsentscheidung sinnvoll treffen, wenn der betreffende Gläubiger seine Forderung im Termin lediglich behauptet und hierzu mangels Anmeldung keine nachprüfbaren Unterlagen vorliegen?

Unter Berücksichtigung der von den Bestreitenden vorgetragenen Argumente trifft das Gericht eine zwangsläufig wertende Ermessensentscheidung, die eine Abwägung der Risikoverteilung in einem eventuellen späteren Feststellungsstreit gemäß § 179, 180 enthalten sollte. Gleichwohl sollten aber die Anforderungen an den Entscheidungsprozess nicht überspannt werden, da es sich nur um eine Entscheidung mit zeitlich begrenzter Wirkung handelt, an die das Gericht nicht gebunden ist. Eine solche Bindungswirkung entsteht weder für spätere Verfahrensabschnitte, da Abs. 2 von ...

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