Leitsatz

1. Bei der Aktivierung und Bewertung einer Forderung sind noch nicht entstandene Rückgriffsansprüche nur zu berücksichtigen, soweit sie einem Ausfall der Forderung unmittelbar nachfolgen und nicht bestritten sind.

2. Die zeitliche Begrenzung der Bildung einer Preissteigerungsrücklage durch § 74 Abs. 1 EStDV i.d.F. der 2. VO zur Änderung der EStDV vom 23.6.1992 (EStDV 1990) auf Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Januar 1990 enden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

3.§ 15 Abs. 4 EStG ist auch auf Kapitalgesellschaften anwendbar.

4. In den Jahren 1989 bis 1992 konnten Kapitalgesellschaften für ungewisse Verbindlichkeiten zur Entrichtung von Aussetzungszinsen Rückstellungen bilden.

 

Normenkette

§ 237 AO , § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 15 Abs. 4 EStG , § 74 EStDV 1986 und 1990

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie stellt Mischfutter für die Kälbermast her, führt dieses ein und vertreibt dieses. Sie erhielt für die Verarbeitung von Magermilch und Magermilchpulver EG-Beihilfen, die sie – siehe den Praxis-Hinweis – im jeweiligen Folgemonat beantragte. Der Beihilfeanspruch erforderte eine mängelfreie Verarbeitung.

Die (1.) Streitfrage war, ob der Anspruch dennoch – trotz dieses Vorbehalts – für den jeweiligen Dezember zum jeweiligen 31.12. zu aktivieren war, weil der Klägerin ggf. Regressforderungen gegen ihre Lieferanten zustanden. Außerdem stand in Streit, (2.) ob die Klägerin noch in 1991 eine Preissteigerungsrücklage gem. § 74 EStDV 1986 bilden konnte, (3.) ob sie Verluste aus gewerblicher Tierzucht trotz § 15 Abs. 4 EStG ausgleichen und abziehen und (4.) ob sie in 1989 bis 1992 Rückstellungen für Aussetzungszinsen bilden durfte.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurück:

1. Berücksichtigung von Regressforderungen

Dazu ergibt sich bereits alles Wesentliche aus dem vorstehenden Praxis-Hinweis: Die Regressforderungen müssten dem Ausfall der zu aktivierenden Forderung unmittelbar nachfolgen und dürften nicht bestritten sein. Nur dann könnten sie mit der noch nicht entstandenen Forderung ,kompensiert' werden und ist Letztere nicht zu aktivieren, andernfalls doch.

2. Preissteigerungsrücklage

Der BFH erkennt in der Änderung des § 74 EStDV und der zeitlichen Begrenzung der Bildung von Preissteigerungsrücklagen zwar eine echte Rückwirkung, die an sich verfassungsrechtlich ausgeschlossen sei. Allerdings gälten Ausnahmen, wenn dem Bürger kein Vertrauensschutz zustehe. Und so verhalte es sich hier anhand der besonderen 'Werdensgeschichte' der Änderung der EStDV.

3. Verlustabzug gem. § 15 Abs. 4 EStG

Der BFH hält § 15 Abs. 4 EStG über § 8 Abs. 1 KStG auf Kapitalgesellschaften uneingeschränkt für anwendbar.

4. Rückstellung für Aussetzungszinsen

Solche Verbindlichkeitsrückstellungen dürften gebildet werden. Denn es sei hinreichend wahrscheinlich, dass eine Klage gegen einen Steuerbescheid erfolglos bleibe. Das gelte auch dann, wenn das FA AdV gewährt habe. Die Beurteilungsmaßstäbe hierfür und für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung deckten sich insoweit nicht. Voraussetzung für die Rückstellung sei allerdings immer, dass die besagten Zinsen auch als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Das sei nach § 10 Nr. 2 KStG in 1984 bis 1992 der Fall gewesen.

 

Hinweis

Mit diesem Urteil hat der BFH gleich eine ganze Reihe bilanzsteuerrechtlicher Fragen geklärt, wobei im Vordergrund sicherlich jene nach der Berücksichtigung noch nicht entstandener Regressforderungen steht – der Sache nach pikanterweise (und ausgesprochen Zeitgeist-BSE-aktuell) – im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Mischfutter zur Kälberfütterung.

1. Zur Verarbeitung solchen Mischfutters konnte die Klägerin auf Antrag EG-Beihilfen erhalten, was aber von Voraussetzungen abhing und deswegen am Bilanzstichtag noch nicht als sicher feststand. In Streit stand nun, ob diese Beihilfen dennoch aktiviert werden mussten. Das FA hatte dies bejaht: Zwar würden die Beihilfen nur im Fall einer mängelfreien Verarbeitung gewährt, der Klägerin stünden jedoch ggf. Rückgriffs- und Schadenersatzansprüche gegen ihre Lieferanten zu, so dass sie im wirtschaftlichen Saldo in den Genuss der Beträge gelange.

Der BFH differenziert hingegen: Solche Rückgriffsansprüche ließen sich nicht schlankerhand als Kompensationsmasse mit dem zu aktivierenden Beihilfeanspruch verwenden. Das sei nur möglich, wenn "die noch nicht entstandenen Rückgriffsansprüche ... dem Ausfall- oder Wegfall der Forderung unmittelbar nachfolgen und nicht bestritten sind".

Sie müssen also beachten: Grundsätzlich sind entstandene Forderungen zu aktivieren, das gilt auch für die Möglichkeit eines Rückgriffs gegen Dritte. Sind solche Regressforderungen indes zwar wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht, aber noch nicht entstanden, dann gilt das Vorsichtsprinzip in jener Ausprägung, wie es sich auch beim Ausweis von Verbindlichkeitsrückstellungen wiederfindet: Die etwaigen Regressmöglichkeiten sind nur zu berücksichtigen, wenn sie zwangsläufig und spiegelbildlich nachfolgen und vo...

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