Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht des Steuerberaters auf Einhaltung der Schriftform bei der Erhöhung des Geschäftsführergehaltes einer GmbH. Mitverschulden des Beratenen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Steuerberater verpflichtet ist, eine von ihm steuerlich betreute GmbH auf die Gefahr hinzuweisen, daß nur mündlich vereinbarte Geschäftsführergehaltserhöhungen vom Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet werden.

2. Gegenüber der Verletzung einer solchen Pflicht begründet der Verstoß gegen eine im Anstellungsvertrag enthaltene Schriftformklausel regelmäßig kein Mitverschulden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundsätzlich trifft denjenigen, der sich auf die Beratung durch einen Fachmann verläßt, auch dann kein Mitverschulden, wenn er die Unzulänglichkeit dieser Beratung bei gehöriger Sorgfalt selbst erkennen könnte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er etwas versäumt, was in den Bereich seiner Eigenverantwortung fällt, insbesondere wenn er es unterläßt, den Berater wahrheitsgemäß und vollständig über den maßgeblichen Sachverhalt zu unterrichten.

 

Normenkette

BGB § 254 Abs. 1, § 675; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 05.03.1996; Aktenzeichen 24 U 170/95)

LG Bonn (Urteil vom 11.07.1995; Aktenzeichen 15 O 511/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. März 1996 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 11. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

Die Anschlußrevision des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, wurde am 24. November 1981 unter Übernahme eines Teils der Geschäftstätigkeit einer anderen Gesellschaft, der S. und Z. KG, gegründet. Das Stammkapital übernahmen je zur Hälfte der persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, E. Z., und H. E., der bis dahin bei dieser Gesellschaft angestellt gewesen war. E. ist inzwischen aus der GmbH ausgeschieden. Der Beklagte, der bereits die Kommanditgesellschaft in deren steuerlichen Angelegenheiten beriet, entwarf gleichlautende Anstellungsverträge, die die GmbH mit den beiden Gründungsgesellschaftern, die zu Geschäftsführern bestellt wurden, abschloß. § 8, in dem das Gehalt auf jeweils 3.500 DM festgesetzt war, bestimmte, daß „darüber hinausgehende Änderungen der Bezüge” der Schriftform bedürften. In § 12 „Schlußbestimmungen”) war unter Nr. 1 vereinbart:

„Die vertraglichen Vereinbarungen der Partner ergeben sich erschöpfend aus diesem Vertrag und seinen etwaigen schriftlichen Anlagen. Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform sowie der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung ist unwirksam …”

Der Beklagte übernahm für die GmbH die Finanz- und Lohnbuchhaltung; er stellte die Jahresabschlüsse auf und entwarf die Steuererklärungen. In den Jahren ab 1986 erhöhten die Gesellschafter mehrfach ihre Geschäftsführergehälter, ohne dies schriftlich niederzulegen. Aufgrund einer 1993 für die Jahre 1987 bis 1991 durchgeführten Betriebsprüfung erließ das Finanzamt geänderte Steuerbescheide, in denen die über die ursprünglichen 3.500 DM hinaus gezahlten Geschäftsführerbezüge als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt wurden. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Über eine von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte der Bundesfinanzhof bei Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht entschieden.

Die Klägerin, die dem Beklagten vorwirft, daß er sie nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, für die Gehaltserhöhungen die Schriftform zu beachten, hat Feststellung verlangt, daß der Beklagte ihr den dadurch entstandenen Steuerschaden zu ersetzen habe. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang, das Berufungsgericht hat ihr im Hinblick auf ein von ihm angenommenes Mitverschulden der Klägerin nur zur Hälfte stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte hat Anschlußrevision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Anschlußrevision hat keinen Erfolg.

1. Der Beklagte war, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß es, um steuerliche Nachteile zu vermeiden, erforderlich sei, die jeweiligen Erhöhungen der Geschäftsführerbezüge schriftlich niederzulegen. Ein Steuerberater ist zwar grundsätzlich nur im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, seinen Mandanten auch unaufgefordert über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (BGHZ 128, 358, 361). Unter den Umständen des vorliegenden Falles gehörte es jedoch entgegen der Ansicht der Anschlußrevision zum Pflichtenkreis des Beklagten, seine Auftraggeberin auf die steuerlichen Gefahren, die mit der nur mündlichen Vereinbarung der Gehaltserhöhungen verbunden waren, aufmerksam zu machen.

a) Finanzverwaltung und Finanzgerichte erkennen in ständiger Praxis Zuwendungen an beherrschende Gesellschafter – zu ihnen können auch Gesellschafter mit gleichhohen Anteilen gehören, soweit sie gleichgerichtete Interessen haben (BFH/NV 1986, 637) – nur unter strengen Voraussetzungen als Betriebsausgaben an. In solchen Fällen kann der Nachweis, daß die Gesellschaft denselben Vermögensvorteil – unter Anwendung der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters – auch einem nicht an der Gesellschaft beteiligten Dritten gewährt hätte, nur erbracht werden, wenn die Zuwendung im voraus klar und eindeutig vereinbart worden ist (BFH DB 1995, 2451 f). Das braucht zwar nicht zwingend schriftlich zu geschehen; in der Praxis werden aber schriftliche Vereinbarungen verlangt (Streck, KStG 4. Aufl. § 8 Rdnr. 120 ff, 124). Zumindest dann, wenn ein mit einem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossener (insbesondere Geschäftsführer-)Vertrag für seine Änderung die Schriftform zwingend vorschreibt, wird eine mündliche Änderungsvereinbarung nicht anerkannt (BFH/NV 1988, 122, 123 f m.w.N.; BFH BStBl. II 1991, 933, 934). Erst in jüngster Zeit deutet sich eine leichte Auflockerung dieser Rechtsprechung an (vgl. BFH DB 1995, 2451, 2452 für den Fall eines Verstoßes gegen § 181 BGB).

Die Finanzgerichte nehmen jedenfalls bei einer „qualifizierten” Schriftformklausel, die für die Aufhebung der vereinbarten Formbedürftigkeit wiederum die Schriftform vorsieht, an, der die vertragliche Schriftform nicht wahrende Vertrag sei zivilrechtlich nach § 125 Satz 2 BGB unwirksam (BFH BStBl. II 1991, 933, 934; für eine „einfache” Schriftformklausel offengelassen in BFH/NV 1988, 122, 123). Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist die Frage, ob die Änderungsverträge, mit denen die Geschäftsführerbezüge erhöht wurden, zivilrechtlich wirksam waren, von untergeordneter Bedeutung. Steuerrechtlich bargen jedenfalls die nur mündlich getroffenen Änderungsvereinbarungen ein hohes Risiko, das durch die in den Anstellungsverträgen vorgesehene qualifizierte Schriftformklausel noch vergrößert wurde.

b) Auf dieses Risiko hätte der Beklagte die Klägerin hinweisen müssen. Er hatte für diese die laufende Buchführung und die Lohnbuchhaltung zu erledigen sowie die Jahresabschlüsse aufzustellen und die Steuererklärungen zu entwerfen; ihm war somit die Wahrnehmung der damit zusammenhängenden steuerlichen Interessen der Gesellschaft übertragen (vgl. BGHZ 115, 382, 383, 386). Er erfuhr von den Gehaltsanhebungen spätestens bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber auch schon vorher aufgrund von Gesprächen mit einem der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer. Es kommt hier nicht entscheidend darauf an, ob bereits das allein die Belehrungspflicht des Beklagten auslöste. Eine Aufklärung über die mit der formlosen Erhöhung der Geschäftsführerbezüge verbundenen Risiken gehörte hier zumindest deswegen zu den sich aus der steuerlichen Betreuung ergebenden Pflichten des Beklagten, weil dieser selbst die Anstellungsverträge mit der verschärften Schriftformklausel für die Klägerin entworfen hatte. Ob er dazu als Steuerberater befugt war – immerhin hat er dafür ein Honorar von 775,20 DM berechnet und erhalten –, ist hier ohne Bedeutung. Der Beklagte hat damit jedenfalls die Gefahr, daß mündliche Gehaltserhöhungen steuerlich nicht anerkannt wurden, durch sein eigenes Verhalten beträchtlich erhöht. Daß eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Form oft nicht eingehalten wird, entspricht den Gewohnheiten des Rechtsverkehrs (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 1965, § 15 III 2 S. 264). Erst recht ist für einen insoweit nicht fachkundigen Steuerpflichtigen nicht erkennbar, daß eine solche Form aus steuerrechtlichen Gründen auch dort eingehalten werden muß, wo es zwischen den Beteiligten an einem Interessengegensatz fehlt (vgl. Streck aaO § 8 Rdnr. 120).

2. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des insoweit anzuwendenden Anscheinsbeweises davon ausgegangen, daß die Klägerin für die schriftliche Niederlegung der Gehaltserhöhungen gesorgt hätte, wenn ihr die steuerrechtlichen Risiken nur mündlicher Absprachen vor Augen geführt worden wären. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Im Gegensatz zum Landgericht hat das Berufungsgericht die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt eines von ihm angenommenen hälftigen Mitverschuldens der Klägerin eingeschränkt. Das greift die Revision mit Recht an.

Grundsätzlich trifft denjenigen, der sich auf die Beratung durch einen Fachmann verläßt, auch dann kein Mitverschulden, wenn er die Unzulänglichkeit dieser Beratung bei gehöriger Sorgfalt selbst erkennen könnte (Senatsurt. v. 28. November 1996 – IX ZR 39/96, WM 1997, 321, 323). Etwas anderes gilt nur dann, wenn er etwas versäumt, was in den Bereich seiner Eigenverantwortung fällt (Senatsurt. v. 17. Oktober 1991 – IX ZR 255/90, WM 1992, 62, 66, insoweit in BGHZ 115, 382 nicht abgedruckt; v. 17. November 1994 – IX ZR 208/93, WM 1995, 212, 214), insbesondere wenn er es unterläßt, den Berater wahrheitsgemäß und vollständig über den maßgeblichen Sachverhalt zu unterrichten (Senatsurt. v. 20. Juni 1996 – IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835 f).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Es trifft nicht die Lebenswirklichkeit, wenn das Berufungsgericht meint, die Geschäftsführer der Klägerin hätten ihre Verträge zu kennen und sich daran zu halten. Im Rechtsverkehr wird, wie bereits erwähnt, einer vertraglich vereinbarten Schriftformklausel im allgemeinen keine Bedeutung beigemessen, wenn sich alle Beteiligten über eine zwischen ihnen getroffene Absprache und deren Verwirklichung einig sind. Deshalb sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls gegen eine „einfache” Schriftformklausel verstoßende mündliche Vereinbarungen wirksam (BGHZ 71, 162, 164; BGH, Urt. v. 22. April 1982 – III ZR 122/80, WM 1982, 902). Im Streitfall drohte den Gesellschaftern, solange sie sich nicht zerstritten, von einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Gehaltserhöhungen keine Gefahr. Ein Risiko bestand allein im Hinblick auf die steuerliche Anerkennung. Die Gefahr, daß diese versagt wurde, konnten die Gesellschafter-Geschäftsführer, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, nicht erkennen; beide waren vorher nicht Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH gewesen. Ob Zuwendungen an einen Gesellschafter verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen, hängt materiell allein davon ab, ob auch ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Dritter sie im Hinblick auf seine der Gesellschaft erbrachten Leistungen erhalten hätte (BFH DB 1995, 2451, 2452). Es bestehen hier keine Anhaltspunkte dafür – auch das Finanzgericht hat dies in seinem Gerichtsbescheid vom 9. August 1995 nicht angenommen –, daß die gezahlten Gehälter unangemessen hoch gewesen wären. Grund für die deutliche Gehaltsanhebung war, daß Z. anläßlich der Verlagerung weiterer Unternehmensteile auf die GmbH auf seine Tätigkeitsvergütung bei der Kommanditgesellschaft in Höhe von 6.000 DM verzichtete und dafür ein entsprechend höheres Gehalt von der GmbH beanspruchte; der Mitgeschäftsführer E. wurde mit etwa einjähriger Verzögerung gleichgestellt. Die strengen Anforderungen der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte an die Form derartiger Vereinbarungen, insbesondere mit beherrschenden Gesellschaftern, betreffen lediglich den Nachweis der materiellen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Zuwendungen. Es war allein Sache des Beklagten, die Klägerin über diese Besonderheiten der Steuerrechtspraxis zu unterrichten. Daß ihre Gesellschafter sich darüber keine Gedanken gemacht haben, ist kein in den Bereich ihrer Eigenverantwortung fallendes Versäumnis; für diese Fragen war der Beklagte zuständig.

4. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Beklagten gegen das der Klage in vollem Umfang stattgebende Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.

 

Fundstellen

DStRE 1998, 35

HFR 1998, 48

NJW 1997, 2238

BBK 1997, 1012

WuB 1998, 451

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